Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen/XVII. Hauptstück

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XVI. Hauptstück Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen (1752) von Johann Joachim Quantz
XVII. Hauptstück
XVIII. Hauptstück


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Das XVII. Hauptstück.
Von den Pflichten derer, welche accompagniren,
oder die einer concertirenden Stimme zugeselleten Begleitungs- oder Ripienstimmen ausführen.


1. §.

Wer die alte Musik gegen die neue, und den Unterschied, der sich nur seit einem halben Jahrhunderte her, von zehn zu zehn Jahren, darinne geäussert hat, betrachtet: der wird finden, daß die Componisten, in Erfindung der, zu lebhafter Ausdrückung der Leidenschaften erfoderlichen Gedanken, seit verschiedenen Jahren, mehr als jemals nachsuchen, und sie ins Feine zu bringen, sich bemühen. Dieses Nachsuchen in der Setzkunst aber, würde von wenig Nutzen seyn, so ferne es nicht auch zu gleicher Zeit, in Ansehung der Ausführung (execution) geschähe.

2. §.

Ein jeder Gedanke kann auf verschiedene Art, schlecht, mittelmäßig, und gut vorgetragen werden. Ein guter und deutlicher, und jeder Sache gemäßer Vortrag kann einer mittelmäßigen Composition aufhelfen; ein undeutlicher und schlechter hingegen, kann die beste Composition verderben.

3. §.

Da nun die Erfahrung zeiget, daß es, durch der Componisten Bemühen neue Gedanken zu erfinden, dahin gekommen ist, daß den Ripienstimmen itziger Zeit weit mehr zugemuthet wird, als vor diesem; und daß in gegenwärtigen Zeiten manche Ripienstimme schwerer zu spielen ist, als vor Alters vielleicht ein Solo war: so folget nothwendig hieraus, daß auch die Ausführer der Ripienstimmen, so ferne die Componisten ihren Entzweck [176] erreichen sollen, gegenwärtig viel ein mehreres zu wissen nöthig haben, als vor Alters nicht erfodert wurde.

4. §.

Betrachtet man aber den Zustand der meisten Musiken, so wohl an Höfen, als in Republiken und Städten, so findet sich im Accompagnement, vornehmlich wegen der großen Ungleichheit im Spielen, eine so große Unvollkommenheit, die sich keiner einbilden kann, er habe sie denn selbst erfahren: woraus nichts anders zu schlüßen ist, als daß manche schöne Composition verstümmelt werden müsse: und daß die Ausführung deswegen einer Verbesserung notwendig bedürfe.

5. §.

Zu dieser Verbesserung kann durch nichts anders, als entweder durch einen mündlichen oder schriftlichen Unterricht, der Grund gelegt werden. Da nun das erstere selten geschieht: weil es bey den meisten Musiken an einem guten Anführer, der die gehörige Einsicht hat, fehlet; das letztere aber, meines Wissens, noch niemals geschehen ist: so habe ich mich zu dem Ende entschlossen, hiermit einen Anfang und Versuch zu machen, denen, so eine aufrichtige Begierde haben, ihren Pflichten im Accompagnement eine Gnüge zu leisten, mit meiner wenigen, doch aus langer Erfahrung und Uebung erlangten Einsicht, zu dienen; und das, was bey dem Accompagnement am meisten beobachtet werden muß, so viel als möglich ist, zu erklären.

6. §.

Damit ein jeder das, was ihn ins besondere angeht, ohne vieles Nachsuchen gleich finden könne, will ich dieses Hauptstück in verschiedene Abschnitte eintheilen; und erstlich die Eigenschaften eines Anführers der Musik beschreiben; alsdenn die Pflichten, so dem Ausführer einer jeden von den begleitenden Stimmen ins besondere obliegen, bemerken; zuletzt aber, einige nothwendige Anmerkungen, welche alle Begleiter zugleich angehen, beyfügen. Die Lehre vom Bogenstriche, und was dem anhängig ist, handele ich zwar bey den Pflichten der Violinisten allein ab: weil aber doch dabey Vieles mit vorkömmt, welches sich auch die Bratschisten und Baßinstrumentisten zu Nutze machen können; und ich solches, um nicht ohne Noth weitläufig zu werden, bey den Abschnitten so diesen Instrumenten gewidmet sind, nicht nochmals habe wiederholen wollen: so werden alle übrigen Bogeninstrumentisten wohl thun, wenn sie auch diesen Abschnitt durchzulesen belieben wollen. Was aber den Strich eines [177] jeden der Mittel- und Baßinstrumente nur allein angeht, habe ich in dem, einem jeglichen gewidmeten Abschnitte, bemerket.




Des XVII. Hauptstücks
I. Abschnitt.

Von den Eigenschaften eines Anführers der Musik.


1. §.

Es ist nicht möglich, daß ein Anführer, so gut er auch seyn mag, die gute Ausnahme der Musik allein bewerkstelligen könne: wo nicht ein jeder der ihm zugeordneten, das Seinige auch gehörig beytragen will. Ich habe aber, an verschiedenen Orten, bey großen Orchestern, wahrgenommen, daß, wenn eben dieselben Personen, bald von einem, bald von einem andern sind angeführet worden, die Wirkung doch, unter des einen Anführung immer besser, als unter des andern seiner, erfolget ist. Ich schlüße also hieraus, daß man diese ungleiche Wirkung, nicht den Ripienisten, sondern den Anführern zuschreiben müsse: und daß folglich ein Großes aus den Anführer ankomme.

2. §.

Da nun dem also ist: so wäre zu wünschen, daß, um die Musik ie mehr und mehr in eine allgemeine Aufnahme zu bringen, an einem jeden Orte, wo eine Musik aufgerichtet ist, zum wenigsten nur ein geschikter und erfahrner Musikus sich befände, der nicht allein die Einsicht eines deutlichen Vortrags hätte, sondern auch, nebst der Harmonie, etwas von der Setzkunst verstünde, um die Art womit ein jedes Stück ausgeführt werden muß, recht treffen zu können: damit die Composition nicht auf so mancherley Weise verstümmelt und verderbet würde. Man sollte [178] sich um einen Mann bemühen, der so wohl die Gabe, als die Aufrichtigkeit, andern die ihnen nöthigen Wissenschaften beyzubringen, besäße. Es würden sodann, in kurzer Zeit, so wohl bessere Solospieler, als Ripienisten, zum Vorschein kommen. Denn es ist nicht zu läugnen, daß zum Wachsthume, oder der Verbesserung eines Orchesters, eben nicht höchstnothwendig sey, an einem jeden Orte, oder bey einer jeden Musik, einen besonders guten Componisten zu haben. Es fehlet nicht an sehr vielen guten musikalischen Stücken: wenn man solche nur vernünftig und wohl zu wählen weis. Es kömmt vielmehr, und zwar hauptsächlich, auf einen, mit obengemeldeten Eigenschaften geziereten, guten Anführer an. Allein, so werden, leider, öfters nur solche zu Anführern erwählet, die entweder durch das Vorrecht der Jahre in einem Orchester hinauf rücken: oder es wird etwan einer eingeschoben, der das Glück hat, sich mit einem vielleicht auswendig gelernten Solo oder Concert einzuschmeicheln: ohne weiter zu untersuchen, ob er auch die gehörige Wissenschaft, andere anzuführen, besitze. Bisweilen wird die Wahl gar zufälliger Weise getroffen. Und dieses ist um so viel weniger zu verwundern, wenn die Wahl, wie nicht selten geschieht, solchen Leuten aufgetragen wird, die wenig oder gar nichts von der Musik verstehen. Ist nun einer von diesen Fehlern bey der Wahl vorgefallen, so kann man sich bey einem dergleichen Orchester, eher einen Verfall, als eine Verbesserung versprechen. Und wenn man sich öfters bey der Wahl des Anführers, auf den doch so viel ankömmt, so übel vorsieht; so ist daraus abzunehmen, wie die Wahl der andern Mitglieder eines Orchesters beschaffen seyn könne. Man würde demnach wohl thun, wenn man sich besonders einen Mann zum Anführer zu wählen bemühete, der einige Jahre, in großen und berühmten Orchestern mitgespielet, und sich darinne, im guten Vortrage und andern nöthigen Wissenschaften, geübet hätte. Es ist gewiß, daß sich in großen Orchestern, öfters Leute befinden, welche mehr Einsicht in die Ausführung haben, als bey manchem Orchester der Anführer: und ist wirklich Schade, daß solche Leute nicht eines bessern Glücks theilhaftig werden sollen; wodurch sie mehr Gutes stiften könnten, als wenn sie beständig, hinter der Hand, als Ripienisten, sitzen bleiben müssen.

3. §.

Ob ein Anführer dieses oder jenes Instrument spiele, könnte allenfalls gleich viel seyn. Weil aber die Violine zum Accompagnement ganz unentbehrlich, auch durchdringender ist, als kein anderes von denen Instrumenten, [179] die am meisten zur Begleitung gebrauchet werden: so ist es besser, wenn er die Violine spielet. Doch ist es eben keine dringende Nothwendigkeit, daß er die Fähigkeit besitzen müsse, besondere Schwierigkeiten auf seinem Instrumente hervor zu bringen: denn dieses könnte man allenfalls denen überlassen, so sich nur durch das gefällige Spielen zu unterscheiden suchen, deren man auch genug findet. Besitzt aber ein Anführer auch dieses Verdienst, so ist er desto mehrerer Ehre werth.

4. §.

Der höchste Grad, der von einem Anführer erforderlichen Wissenschaft, ist: daß er eine vollkommene Einsicht habe, alle Arten der Composition nach ihrem Geschmacke, Affecte, Absicht und rechtem Zeitmaaße zu spielen. Es muß derselbe also fast mehr Erfahrung vom Unterschiede der Stücke haben, als ein Componist selbst. Denn dieser bekümmert sich öfters um nichts anders, als was er selbst gesetzet hat. Mancher weis auch wohl zuweilen seine eigenen Sachen nicht allemal im gehörigen Zeitmaaße aufzuführen: entweder aus allzugroßer Kaltsinnigkeit, oder aus überhäufter Hitze, oder aus Mangel der Erfahrung. Einem klugen Anführer aber ist es leicht diesen Fehler zu verbessern, besonders wenn er in einem wohlgezogenen Orchester, und unter einem guten Anführer, wo er vielerley Arten von Musik mitgespielet hat, ist erzogen worden. Hätte er aber diese Gelegenheit nicht gehabt, so muß er zum wenigsten an verschiedenen Orten, wo er gute Musiken hören können, gewesen seyn, und davon Nutzen gezogen haben, und so ferne es ihm ein Ernst ist, seinem Amte wohl vorzustehen, kann er auch durch Unterredungen mit erfahrnen Leuten, viel profitiren: weil die ihm nöthige Wissenschaft, hierdurch mehr, als durch das Bemühen große Schwierigkeiten zu spielen, erlernet wird.

5. §.

Er muß zu dem Ende ferner: das Zeitmaaß in der größten Vollkommenheit zu halten wissen. Er muß die Geltung der Noten, insbesondere auch der kurzen Pausen, so aus Sechzehntheilen, und Zwey und dreißigtheilen bestehen, auf das genaueste in Acht zu nehmen verstehen; um weder zu eilen, noch zu zögern. Denn wenn er hierinne einen Fehler machet, so verführet er die übrigen alle, und verursachet eine Verwirrung bey der Musik. Nach den kurzen Pausen würde es weniger schaden, wenn er später anfienge, und die folgenden kurzen Noten etwas übereilete, als wenn er sie voraus nähme. Bevor er ein Stück anfängt, muß [180] er dasselbe wohl untersuchen, in was vor einem Zeitmaaße es gespielet werden soll. Wenn es ein geschwindes und ihm unbekanntes Stück ist; thut er besser, wenn er zu langsam, als wenn er zu geschwinde anfängt: indem man leichter, und ohne große Aenderung aus dem Langsamen ins Geschwinde, als aus dem Geschwinden ins Langsame gehen kann. Doch hat er dieserwegen hauptsächlich darauf zu sehen, ob die Ripienisten mehr zum Eilen als zum Zaudern und Nachschleppen geneigt sind. Das erstere geschieht leichtlich bey jungen, und das letztere bey alten Leuten. Deswegen muß er suchen, diese ins Feuer zu bringen, jene aber darinne zu mäßigen. Weis er aber das rechte Tempo gleich zu fassen, so ist es desto besser, und fällt diese Vorsorge alsdenn weg. Damit aber auch die andern, besonders bey geschwinden Noten, mit ihm zugleich anfangen können, muß er sie gewöhnen, daß sie den ersten Tact des Stücks ins Gedächtniß fassen, den Bogen nahe bey den Seyten halten, und auf seinen Bogenstrich Achtung geben. Widrigenfalls würde er bey der ersten Note warten müssen, bis die andern nachkämen, und also die Note dadurch verlängern: welches aber bey geschwinden Noten eine üble Wirkung thut. Er selbst muß nicht eher anfangen, bis er sieht, daß die übrigen Musici alle in Bereitschaft sind; besonders wenn jede Stimme nur einmal besetzet ist: damit der Anfang, welcher den Zuhörer überraschen, und zu einer Aufmerksamkeit antreiben soll, nicht mangelhaft sey. Das Ausbleiben der Grundstimme würde hierbey den meisten Schaden verursachen.

6. §.

Das Gesicht und Gehör muß er öfters so wohl auf den Ausführer der Hauptstimme, als auf die Begleiter richten: im Fall es nöthig wäre, dem einen nachzugeben, und die andern in der Ordnung zu erhalten. Aus des Concertisten seinem Vortrage muß er fühlen, ob er das was er spielet geschwinder oder langsamer haben wolle: damit er, ohne sonderbare Bewegungen, die andern dahin lenken könne. Dem Concertisten aber muß er die Freyheit lassen, sein Tempo so zu fassen, wie er es für gut befindet.

7. §.

Ein guter Anführer muß weiter: bey dem Orchester einen guten und gleichen Vortrag einzuführen, und zu erhalten suchen. So wie er selber einen guten Vortrag haben muß, so muß er auch suchen denselben bey seinen Mitarbeitern allgemein, und dem seinigen allezeit gleich zu machen. Zu dem Ende muß er eine vernünftige und billige Subordination [181] einzuführen wissen. Haben seine Verdienste ihm Hochachtung, und sein freundliches Bezeigen und leutseliger Umgang ihm Liebe erworben, so wird solches nicht schwer seyn.

8. §.

Für richtige und gleiche Einstimmung der Instrumente muß er besondere Sorge tragen. Je allgemeiner der Mangel des richtigen Zusammenstimmens ist, ie mehr Schaden richtet er an. Der Ton des Orchesters mag hoch oder tief stehen, so wird er doch nicht vermögend seyn, die Verhinderung, so eine ungleiche Stimmung an der guten Ausnahme machet, zu ersetzen. Der Anführer muß also, wenn er eine richtige Stimmung erhalten will, sein Instrument, bey Ausführung einer Musik, zuerst nach dem Claviere rein stimmen, und darauf, nach demselben, einen jeden Instrumentisten insbesondere einstimmen lassen. Damit aber die Instrumente, so ferne die Musik nicht sogleich angeht, nicht wieder verstimmet werden, muß er nicht gestatten, daß ein jeder die Freyheit habe, nach eigenem Gefallen zu präludiren und zu phantasiren: welches ohnedem sehr unangenehm zu hören ist, und verursachet, daß öfters ein jeder sein Instrument noch nachstimmet, und endlich von der allgemeinen Stimmung abweichet.

9. §.

Sollten unter den Ripienisten sich einige befinden, deren Vortrag von andern noch unterschieden wäre: muß er solche insbesondere zur Uebung vornehmen, um ihnen die rechte Art beyzubringen: damit nicht einer z. E. einen Triller hinsetze, wo andere simpel spielen, oder Noten schleife, welche von andern gestoßen werden; oder nach einem Vorschlage einen Mordanten mache, den die andern weglassen: weil doch die größte Schönheit der Ausführung darinne besteht, daß alle in einerley Art spielen.

10. §.

Er muß dahin sehen, daß alle seine Gefährten, mit ihm, nachdem es jede Sache erfodert, allezeit in gleicher Stärke oder Schwäche spielen; besonders aber bey dem Wechsel des Piano und Forte, und ihrer verschiedenen Stufen, solche bey denen Noten, wo sie geschrieben stehen, alle zugleich ausdrücken. Er selbst muß sich nach der concertirenden Stimme, ob solche stark oder schwach ist, richten. Und weil er andern zum Muster und zum Anführer dienen soll, so wird es ihm rühmlich seyn, wenn er jederzeit gleiche Aufmerksamkeit bezeiget, und eine jede Composition, [182] sie sey von wem sie wolle, ohne Partheylichkeit, mit eben demselben Ernst und Eifer ausführet, als wenn es seine eigene wäre. Der Verfasser des Stücks sey gegenwärtig oder abwesend, billig oder unbillig; so wird er, wenn er es auch, vielleicht aus falschen Absichten, öffentlich nicht kund machen will, ihm doch wenigstens heimlich, für seine Redlichkeit, und für die gute Aufführung seiner Arbeit, Dank sagen müssen: weil so wohl die Tugenden, als die Laster, ihre Besitzer belohnen.

11. §.

Um seine Instrumentisten noch mehr im guten Vortrage fest zu setzen, und gute Accompagnisten mit zu erziehen, thut ein Anführer wohl, wenn er, außer noch vielen andern Arten von Musik, auch öfters Ouvertüren, charakterisirte Stücke, und Tänze, welche markiret, hebend, und entweder mit einem kurzen und leichten, oder mit einem schweren und scharfen Bogenstriche gespielet werden müssen, zur Hebung vornimmt. Er wird die Accompagnisten dadurch gewöhnen, ein jedes Stück nach seiner Eigenschaft, prächtig, feurig, lebhaft, scharf, deutlich, und egal zu spielen. Die Erfahrung beweiset, daß diejenigen, welche unter guten Musikanten-Banden erzogen sind, und viele Zeit zum Tanze gespielet haben, bessere Ripienisten abgeben, als die, welche sich nur allein in der galanten Spielart, und in einerley Art von Musik geübet haben. Denn wie, zum Exempel, ein feiner Pinselstrich, bey einer theatralischen Malerey, die man nur bey Lichte, und von weitem sehen muß, nicht so gute Wirkung thut, als bey einem Cabinetstücke: also thut auch, in einem zahlreichen Orchester, bey dem Accompagnement, das allzu galante Spielen, und ein langer, schleppender, oder sägender Bogen, nicht so gut, als bey einem Solo, oder in einer kleinen Kammermusik.

12. §.

Der Glanz eines Orchesters wird aber auch besonders vermehret, wenn sich gute Solospieler, auf verschiedenen Instrumenten, in demselben befinden. Ein Anführer muß sich also bemühen: gute Solospieler zuzuziehen. Zu dem Ende muß er denen, so im Stande sind, sich allein hören zu lassen, öfters Gelegenheit geben, sich nicht nur insbesondere, sondern auch bey öffentlichen Musiken, hervor zu thun. Doch muß er sich zugleich bemühen, zu verhindern, daß nicht einer oder der andere, wie absonderlich bey jungen Leuten sehr leicht geschehen kann, dadurch zu einer falschen Einbildung verleitet werde, als ob er schon derjenige große Musikus wäre, der er erst mit der Zeit noch werden soll. Sollten auch [183] ja einige einen so unvernünftigen Stolz bey sich fassen: so würde doch ein Anführer übel thun, wenn er um jener willen, andere wollte leiden lassen, welche diese Gelegenheit sich öffentlich zu zeigen als eine Wohlthat, zu ihrem Besten, erkennen, und zum Nutzen anzuwenden bemühet sind.

13. §.

Endlich muß auch ein Anführer: die Instrumentisten, bey einer Musik, gut einzutheilen, zu stellen, und anzuordnen wissen. Auf die, nach gehöriger Verhältniß eingerichtete, gute Besetzung und Stellung der Instrumente, kömmt viel an. Im Orchesterplatze eines Opernhauses, kann der erste Clavicymbal in die Mitte, und zwar mit dem breiten Ende gegen das Parterre, und mit der Spitze gegen das Theater gesetzet werden: damit der Spieler desselben die Sänger im Gesicht habe. Zu seiner Rechten kann der Violoncell, zur Linken der Contraviolon seinen Platz haben. Neben dem ersten Clavicymbal, zur Rechten, kann der Anführer, ein wenig vorwärts, und erhöhet sitzen. Die Violinisten und Bratschisten können von ihm an einen engen länglichten Kreis formiren, so daß die letzten mit dem Rücken an das Theater, und bis an die Spitze des Clavicymbals kommen: damit sie den Anführer alle sehen und hören können. Ist aber das Orchester so geraum, daß vier Personen, in der Breite, neben einander Platz haben: so können die Ausführer der zweyten Violine, zu zweenen und zweenen hinter einander, in der Mitte, zwischen den Ausführern der ersten Violine, und den, mit dem Rücken am Theater sitzenden Bratschisten, sitzen: denn ie näher die Instrumente beysammen sind, ie bessere Wirkung thut es. Auf derselben Seite, am Ende, wo die Violinisten aufhören, kann noch ein Violoncell, und ein großer Violon Platz finden. Auf der linken Seite des ersten Clavicymbals stelle man den zweyten, die Länge am Theater hin, und mit der Spitze gegen den ersten zugekehret: doch so, daß die Bassons noch dahinter Platz finden können; woferne man sie nicht, zu des zweyten Clavicymbals rechter Seite, hinter die Flöten bringen will. Bey diesem zweyten Clavicymbal, können noch ein paar Violoncelle ihre Stelle haben. Auf dieser linken Seite des Orchesters, können die Hoboen und Waldhörner, mit dem Rücken nach den Zuhörern gekehret, wie auf der rechten Seite die ersten Violinen, in einer Reihe sitzen: die Flöten aber, nahe bey dem ersten Clavicymbal, in die Quere postiret werden, so daß sie das Gesicht gegen den Clavicymbal, und das untere Ende der Flöte gegen das Parterre [184] wenden. Doch werden an einigen Orten, wo zwischen dem Orchester und den Zuhörern noch ein leerer Platz befindlich ist, die Flöten mit dem Rücken gegen das Parterre, und die Hoboen in die Quere, zwischen sie, und den zweyten Clavicymbal gesetzet. Die Hoboen thun absonderlich bey dem Tutti, zum Ausfüllen, eine treffliche Wirkung, und ihr Schall verdienet also billig einen freyen Ausgang zu haben; welchen die Flöten, alsdenn, wenn niemand nahe hinter ihnen steht, wofern ihre Ausführer sich nur ein klein wenig auf die Seite wenden, auch erhalten: und dieses um so viel mehr, weil sie den Zuhörern alsdenn näher sind. Die Theorbe findet hinter dem zweyten Clavicymbal, und den ihm zugeordneten Violoncellisten, bequemen Platz.

14. §.

Bey einer zahlreichen Musik, die entweder in einem Saale, oder sonst an einem großen Orte, wo kein Theater ist, aufgeführet wird, kann die Spitze des Clavicymbals gegen die Zuhörer gerichtet werden. Damit keiner der Musicirenden den Zuhörern den Rücken zukehre: so können die ersten Violinisten, nahe am Clavicymbal, in einer Reihe nach einander hin stehen; und zwar der Anführer, bey dem Clavieristen, welcher die beyden mit ihm spielenden Baßinstrumente zu beyden Seiten neben sich hat, zur rechten Hand. Die zweyte Violine kann hinter die erste; und hinter diese, die Bratsche kommen. Neben die Bratsche, zur Rechten, stelle man in eben der Reihe die Hoboen; und hinter diese Reihe die Waldhörner, und die übrigen Bässe. Die Flöten, wenn sie etwas zu concertiren haben, schicken sich am besten bey die Spitze des Clavicymbals, vor die erste Violine; oder auf die linke Seite des Flügels. Denn wegen der Schwäche ihres Tones, würden sie, wenn sie weiter zurück stünden, nicht gehöret werden. Eben denselben Platz können auch die Sänger nehmen: weil sie sonst, wenn sie sich hinter den Clavieristen stellen, und aus der Partitur singen, nicht nur den Violoncellisten und Contraviolonisten hindern; sondern auch, wenn sie sich etwan wegen blöden Gesichts bücken müssen, das Athemholen verhindern, und die Stimme unterdrücken.

15. §.

Bey einer kleinen Kammermusik kann der Clavicymbal an die Wand gesetzet werden, die seinem Spieler zur linken Hand ist: doch so weit von derselben abgerücket, daß alle accompagnirenden Instrumentisten, die Bässe ausgenommen, zwischen ihm und der Wand Platz haben. Sind nur vier Violinen vorhanden; so können dieselben in einer Reihe, [185] an dem Clavicymbal hin, und die Bratsche hinter denselben stehen. Sind aber der Violinen sechs oder acht; so würde es besser seyn, wenn die zweyte Violine hinter die erste, und die Bratsche hinter die zweyte gestellet würde: damit die Mittelstimmen nicht vor der Hauptstimme hervor ragen: weil solches eine üble Wirkung thut. Die Concertisten können, in diesen Fällen, ihren Platz vor dem Flügel auf solche Art nehmen, daß sie die Begleiter seitwärts im Gesicht haben.

16. §.

Wer eine Musik gut aufführen will, muß drauf sehen, daß er ein jedes Instrument, nach seinem Verhältniß, gehörig besetze; und nicht von der einen Art zu viel, von der andern zu wenig nehme. Ich will ein Verhältniß vorschlagen, welches, wie ich dafür halte, zureichend, und am besten getroffen seyn wird. Den Clavicymbal verstehe ich bey allen Musiken, sie seyn kleine oder große, mit dabey.

Zu vier Violinen nehme man: eine Bratsche, einen Violoncell, und einen Contraviolon, von mittelmäßiger Größe.

Zu sechs Violinen: eben dasselbe, und noch einen Basson.

Zu acht Violinen gehören: zwo Bratschen, zweene Violoncelle, noch ein Contraviolon, der aber etwas größer ist als der erste; zweene Hoboen, zwo Flöten, und zweene Bassons.

Zu zehn Violinen: eben dasselbe; nur noch ein Violoncell mehr.

Zu zwölf Violinen geselle man: drey Bratschen, vier Violoncelle, zweene Contraviolone, drey Bassons, vier Hoboen, vier Flöten; und wenn es in einem Orchester ist, noch einen Flügel mehr, und eine Theorbe.

Die Waldhörner sind, nach Beschaffenheit der Stücke, und Gutbefinden des Componisten, so wohl zu einer kleinen als großen Musik nöthig.

17. §.

Nach dieser Eintheilung, wird es nicht schwer fallen, auch die allerzahlreichste Musik in ein gehöriges Verhältniß zu bringen: wenn man nur die Vermehrung von vieren zu achten, von achten zu zwölfen, u. s. w. in Acht nehmen will. Diese Vorsicht ist um so viel nöthiger; da der gute [186] Erfolg einer Musik, nicht weniger von einer in gehörigem Verhalte stehenden Besetzung der Instrumente, als von der guten Abspielung selbst, abhängt. Manche Musik würde eine bessere Wirkung thun, wenn es nicht an der gut eingeteilten Besetzung fehlete. Denn wie kann eine Musik gut klingen, wo die Hauptstimmen von den Grundstimmen, oder wohl gar von den Mittelstimmen übertäubet und unterdrücket werden, da doch die erstern vor allen andern hervorragen, und die Mittelstimmen am allerwenigsten gehöret werden sollten.

18. §.

Ist nun ein Anführer mit allen bisher angeführten Gaben ausgezieret; hat er die nöthige Geschiklichkeit, bey einem Orchester alle die guten Eigenschaften, so von demselben erfodert werden, nicht nur bedürfenden Falls einzuführen, sondern auch zu erhalten: so gereichet es dem Orchester zwar zur Ehre; dem Anführer selbst aber, zu einem ganz besondern Ruhme. Denn weil, wie oben schon gesaget worden, ein Orchester, unter des einen Anführung bessere Wirkung hervorbringt, als unter des andern seiner: so folget hieraus, daß nicht alle Tonkünstler zum Anführen geschikt sind. Und weil verschiedene, welche, wenn sie gut geführet werden, sehr braf sind, doch zum Anführen selbst nicht die geringste Fähigkeit haben: so kann man daraus die Rechnung machen, wie viel an einem Manne, der alle zu dem Amte eines guten musikalischen Anführers erfoderlichen Eigenschaften besitzt, gelegen sey; und was für große Vorzüge ein solcher in der Musik verdiene.




[187]

Des XVII. Hauptstücks
II. Abschnitt.
Von den Ripien-Violinisten insbesondere.


1. §.

So wohl alle Bogeninstrumente überhaupt, als auch insbesondere die Violinen, müssen mit solchen Seyten bezogen seyn, welche eine, der Größe des Instruments gemäße Stärke haben: damit die Seyten weder zu straff, noch zu schlapp angespannet werden. Wenn solche zu dicke sind, wird der Ton dumpficht; sind sie aber zu dünne, so wird der Ton zu jung und zu schwach. Deswegen muß man sich hierinne nach dem eingeführten Tone, ob solcher tief, oder hoch ist, richten.

2. §.

Was bey richtiger Stimmung der Violine zu beobachten ist, wird, weil es alle Bogeninstrumente zusammen angeht, im letzten Abschnitte mit abgehandelt.

3. §.

Bey der Violine und den ihr ähnlichen Instrumenten, kömmt es eigentlich, wegen des Vortrages, am meisten auf den Bogenstrich an. Durch denselben wird der Ton aus dem Instrumente entweder besser oder schlechter herausgebracht; durch denselben bekommen die Noten ihr Leben, durch denselben wird das Piano und Forte ausgedrücket; durch denselben werden die Affecten erreget, durch denselben wird das Traurige von dem Lustigen; das Ernsthafte von dem Scherzhaften; das Erhabene von dem Schmeichelnden; und das Modeste von dem Frechen unterschieden: mit einem Worte, er ist das Mittel, wodurch, wie bey der Flöte mit der Brust, Zunge und Lippen, die musikalische Aussprache geschieht, und wodurch ein Gedanke auf mancherley Art kann verändert werden. Es versieht sich zwar von sich selbst, daß die Finger das Ihrige auch dazu beytragen [188] müssen, daß man ein gut Instrument, und reine Seyten haben müsse. Allein weil bey allen diesen Dingen, wenn man noch so rein und gut greift, wenn das Instrument noch so wohl klingend, und die Seyten noch so rein sind, doch der Vortrag sehr mangelhaft seyn kann, so folget daraus natürlich, daß auf den Strich, in Ansehung des Vortrages, das meiste ankommen müsse.

4. §.

Ich will dieses durch ein Beyspiel erläutern. Man spiele die Passage Tab. XXII. Fig. 1. in einem gelassenen Tempo, mit lauter langen bis zu Ende des Bogens gezogenen Strichen. Man mäßige hernach die Länge des Strichs, und spiele eben dieselben Noten, einmal um das andre immer mit kürzern Strichen. Nachhero gebe man einmal bey einem jeden Striche einen Druck mit dem Bogen, das andremal spiele man es abgestoßen (staccato), und mit dem Bogen abgesetzet. Ungeachtet nun eine jede Note ihren besondern Strich bekommen hat; so wird doch der Vortrag ein jedesmal anders seyn. Man versuche es gleichfalls durch verschiedene Arten des Schleifens; und spiele diese acht Noten alle mit einem Striche; oder als wenn zugleich Puncte, nebst einem Bogen, über den Noten stünden; oder zwo Noten mit einem Striche; oder eine gestoßen, und drey geschleifet; oder die ersten drey geschleifet und die vierte gestoßen; oder die erste und vierte gestoßen, und die zweyte und dritte geschleifet; oder die erste abgesetzet, und die folgenden alle zu zwoen und zwoen mit einem Striche geschleifet: so wird der Vortrag eben so verschieden, wie im Vorigen seyn.

5. §.

Dieses Exempel kann genug seyn, zu beweisen, wie schädlich der Misbrauch des Bogens seyn, und wie verschiedene Wirkungen hingegen sein rechter Gebrauch hervorbringen könne. Hieraus folget, daß es bey einer Ripienstimme nicht in der Willkühr des Violinisten, oder irgend eines andern Bogeninstrumentisten stehe, die Noten nach seinem Gefallen zu schleifen oder abzustoßen; sondern daß er verbunden sey, dieselben mit dem Bogen so zu spielen, wie sie der Componist, an denen Orten, die von der gemeinen Art abgehen, angezeigt hat.

Man merke hier beyläufig, daß, wenn viele Figuren in einerley Art nach einander folgen, und nur die erste davon mit Bogen bezeichnet ist, man auch die übrigen, so lange keine andere Art Noten vorkömmt, eben so spielen müsse. Auf gleiche Art verhält sichs mit den Noten, worüber Striche stehen. Wenn nur etwa zwo, [189] drey oder vier Noten damit bezeichnet sind: so werden doch die übrigen Noten die darauf folgen, und von selbiger Art und Geltung sind, ebenfalls staccato gespielet. Ohne dieses würde nicht allein die verlangte Wirkung nicht hervorgebracht werden; sondern auch die Gleichheit des Vortrages niemals zu einer Vollkommenheit kommen.

6. §.

Es fließt aber hieraus noch weiter, daß die gute Ausnahme des Accompagnements, mehr auf die Violinisten, als auf die übrigen Instrumentisten ankomme: weil jene die Melodie in ihrer Gewalt alleine haben. Wenn sie schläfrig oder nachläßig spielen, können die andern dem Vortrage des Accompagnements gar wenig aufhelfen. Deswegen soll auch der Bogenstrich, als das vornehmste bey dem Vortrage, in diesem Abschnitte zusammen abgehandelt werden, und in den andern, wird man sich auf diesen beziehen.

7. §.

Alle Lehren vom Bogenstriche abzuhandeln, würde nicht dieses Ortes seyn: weil ich hier schon einen Leser, der die Violine, und folglich auch den Strich versteht, voraussetze. Ich will also nur gewisse zweifelhafte, und solche Stellen untersuchen, wobey etwas besonders zu bemerken ist, welches der Componist nicht allezeit andeuten kann. Aus diesen wird man auf die meisten andern ähnlichen Fälle schließen können. Darauf will ich zeigen, was für eine Art von Striche bey jeder Art von Stücken herrschen soll. Und endlich will ich das, was weiter noch dabey zu beobachten ist, mit beybringen.

8. §.

Die Haupteigenschaft eines gut geführten Bogenstrichs ist demnach: daß die Noten, so in den Hinauf- oder Herunterstrich gehören, so viel als möglich ist, auch also gespielet werden.

Wenn etliche Noten auf einerley Tone vorkommen, und mit synkopirten Noten vermischet sind, muß eine jede ihren besondern Strich haben, oder der Bogen muß nach der synkopirten Note abgesetzet werden, s. Tab. XXII. Fig. 2. Wollte man die Achttheile hier ohne Wiederholung oder ohne Absetzen des Bogens spielen: so würden solche nicht allein sehr schläfrig klingen; sondern es würde auch ein ganz andrer Sinn daraus entstehen. Die aus Acht- oder Sechzehntheilen bestehenden geschwinden Noten dieser Art, müssen gleichfalls nicht mit einem Drucke des Bogens [190] markiret werden, sondern durch desselben Wiederholung ihre Lebhaftigkeit bekommen.

Diese Achttheile: s. Tab. XXII. Fig. 3. müssen alle mit dem Bogen markiret und kurz gespielet werden; und wenn Vorschläge auf dergleichen Noten folgen, muß die Note vor dem Vorschlage ebenfalls mit dem Bogen abgesetzet werden: um die zwo Noten, so auf eben dem Tone stehen, deutlich und unterschieden hören zu lassen.

Wenn im geschwinden Zeitmaaße auf ein Viertheil im Niederschlagen etliche Achttheile oder Sechzehntheile folgen, es sey auf einerley Tone, oder im Springen; so thut es gute Wirkung, wenn das Viertheil im Herunterstriche markiret, und der Bogen abgesetzet wird: damit das folgende Achttheil ebenfalls im Herunterstriche gespielet werden könne, s. Tab. XXII. Fig. 4. bey C, C, und D, G.

Wenn zwo Noten auf eben demselben Tone vorkommen, und kein Bogen darüber steht, s. Tab. XXII. Fig. 5. so müssen solche nicht zusammen gebunden, sondern durch den Bogenstrich unterschieden werden.

Bey dieser Art Noten: s. Tab. XXII. Fig. 6. muß die letzte im Tacte mit dem Bogen ein wenig abgesetzet werden, um solche von der im Niederschlage abzusondern. Die zweyte Note im Tacte, so an die erste geschleifet wird, kann man etwas schwächer als die übrigen ausdrücken.

In lustigen und geschwinden Stücken, muß das letzte Achttheil von einem jeden halben Tacte, mit dem Bogen markiret werden, s. Tab. XXII. Fig. 7. das erste G, das zweyte E, und das F.

Wenn eine kurze Note an eine lange gebunden ist, s. Tab. XXII. Fig. 8. so muß die lange Note, und nicht die kurze, durch einen Druck mit dem Bogen markiret werden.

Wenn auf ein Achttheil zwey Sechzehntheile folgen, so muß das Achttheil mit dem Bogen markiret, und abgesetzet werden, als wenn ein Strich darüber stünde; s. Tab. XXII. Fig. 9.

Bey Fig. 10. werden, im Allegro, die zweyte und dritte Note im Hinaufstriche, jedoch bey dem Puncte mit einem Einhalten oder Absatze gemacht, die folgenden zwey G aber bekommen beyde den Herunterstrich.

Bey Fig. 11. wird der Herunterstrich bey dem zweyten C wiederholet, und so auch bey dem C, nach dem E im vierten Viertheile. Eben dergleichen geschieht, wenn nach einer weißen Note Sechzehntheile folgen. Besteht aber das erste und dritte Viertheil aus vier Sechzehntheilen: so [191] muß alsdenn, nach dem zweyten und dritten Viertheile, der Bogen abgesetzt, und wiederholet werden.

Bey Viertheilen, oder Achttheilen, so mit Pausen von eben der Geltung vermischet sind, da die Pausen voran stehen, und in den Niederschlag kommen, s. Tab. XXII. Fig. 12. muß jede Note mit dem Hinaufstriche gespielet werden.

Im geschwinden Zeitmaaße, spielet man bey der Art Noten: s. Tab. XXII. Fig. 13. die erste im Herunterstriche, die folgenden drey aber im Hinaufstriche. Im langsamen Tempo hingegen, ist die Wirkung viel reizender, wenn alle vier Noten in einem Striche, jedoch mit einer kleinen Absetzung des Bogens nach der ersten Note, vorgetragen werden. Die folgenden vier Noten werden auf gleiche Weise im Hinaufstriche genommen. Bey der ersten Art, im Geschwinden, wird ein Strich über die erste, und ein Bogen über die drey folgenden; bey der zweyten Art, im Langsamen, aber, noch ein Bogen mehr über vier Noten gesetzet, wie dieses Exempel ausweiset.

9. §.

Die Noten bei Fig. 14. Tab. XXII. werden Strich vor Strich gespielet, und nicht mit Wiederholung des Herunterstrichs; es muß aber das G im ersten Tacte eben einen solchen Druck im Hinaufstriche bekommen, wie das erste C im Herunterstriche, und so auch im zweyten Tate das G.

Auf gleiche Art werden bey Fig. 15. Tab. XXII. die Noten ebenfalls Strich vor Strich gespielet: jedoch mit dem Unterschiede, daß die vierte Note den Druck bekomme, wie die erste.

Die Noten, Tab. XXII. Fig. 16. können auf zweyerley Art, gleich gut vorgetragen werden: wenn nämlich der Violinist im Hinaufstriche so geübet ist, wie im Herunterstriche. Entweder kann man jede Note dieses Exempels mit einem eigenen Striche versehen; oder man mache das erste A und C im Hinaufstriche, jedoch beyde Noten wohl und kurz markiret: so wird zwar die Wirkung gleich gut seyn; die letztere Art vorzutragen aber, ist bey vielen andern und neuern Vorfällen sehr nützlich.

Der Beweis hiervon ist gleich im folgenden Exempel Tab. XXII. Fig. 17. zu finden. Hier muß, der Folge wegen, das E und G im ersten, und das G und H im zweyten Tacte, im Hinaufstriche gespielet werden: wenn anders die Ausnahme gut seyn soll.

[192] Eben diese Beschaffenheit hat es mit denen Noten Tab. XXII. Fig. 18. wenn nämlich das Tempo sehr geschwind ist; besonders wenn die Noten auseinander liegen, wie bey den zweenen letzten Tacten. Es ermüdet diese Art auch bey weitem nicht so, als wenn Note vor Note gestrichen wird.

Diese Art Noten: s. Tab. XXII. Fig. 19. können auf zweyerley Art ausgeführet werden. Einmal Strich vor Strich, ohne Wiederholung des Bogens; wenn nämlich das Tempo sehr geschwind ist, und keine Passagien von Sechzehntheilen mit untermischet sind. Findet sich aber diese Vermischung; so muß nach der dritten Note, im ersten Tacttheile, der Bogen abgesetzet und wiederholet werden. Und weil in dieser Tactart, die Begleitung mehrentheils so beschaffen ist, wie in einem Siciliano, nämlich hinkend, oder alla Zoppa; da nach einem jeden Viertheile ein Achttheil folget, welches im geschwinden Zeitmaaße etwas hebend gespielet werden muß, so sey man bemühet, diesen Noten das rechte Gewicht zu geben, und hüte sich, daß man dem Viertheile nicht etwas abbreche, und solches dem folgenden Achttheile zulege: denn dadurch würden die Viertheile und Achttheile einander fast gleich, und der Sechsachttheiltact, in den Zweyviertheiltact verwandelt werden. Noch mehr hüte man sich das Viertheil zu lang, und das Achttheil zu kurz zu machen: sonst würde es scheinen als wären es punctirte Noten in einer geraden Tactart. Um aber beydes zu vermeiden, darf man sich nur bey dem Viertheile zwey Achttheile, von der Geschwindigkeit des folgenden Achttheils, in Gedanken vorstellen; so wird man diese Fehler nicht begehen.

10. §.

Die oben erfoderte gleiche Stärke und Uebung des Hinaufstrichs so wohl als des Herunterstrichs, ist, bey der itzigen musikalischen Schreibart, höchstnöthig. Denn wer dergleichen ins feinere gebrachte Gedanken, so darinne vorkommen, spielen will, und den obigen Vortheil nicht hat; der wird anstatt eines gefälligen und leichten Vortrages, nichts als eine widrige Härte hören lassen.

11 §.

Um aber den Bogenstrich egal, und sich seiner im Hinauf- und Herunterziehen gleich mächtig zu machen, nehme man eine Gique, oder Canarie, im Sechsachttheiltacte, worinne lauter eingeschwänzete Noten befindlich sind, und hinter der ersten von dreyen ein Punct steht, zur Uebung vor. Man gebe jeder Note ihren besondern Strich; so daß die erste und [193] dritte Note einer jeden Figur, ohne Wiederholung des Bogens, bald in den Herunter- bald in den Hinaufstrich komme: die Note nach dem Puncte aber, spiele man allezeit sehr kurz und scharf. Oder man übe ein Stück von oben gedachter Tactart, in welchem der erste Tacttheil aus vier Noten, nämlich, zwey Sechzehntheilen anstatt des mittelsten Achttheils, der zweyte aber aus drey Noten bestehe; damit in einem jeden Tacte, eine ungerade Zahl von Noten vorkomme.

Nachher versuche man eben dasselbe Stück, ohne Puncte, doch ohne Wiederholung des Bogens, wie Triolen, oder wie geschwinde Achttheile im Sechsachttheiltacte.

Man nehme ferner ein Exempel im schlechten Tacte vor, da entweder auf ein jedes Viertheil vier Sechzehntheile, oder auf ein jedes Achttheil zwey Sechzehntheile folgen, die Noten auch bald springend, bald stufenweise gehen. Mit dieser Uebung fahre man so lange fort, bis man wahrnimmt, daß die Figuren, welche sich mit dem Hinaufstriche anfangen, eben so klingen, als die mit dem Herunterstriche. Man wird durch eine solche Uebung einen großen Nutzen verspüren, und den Arm zu allem was vorkommen kann, geschickt machen. Denn obwohl gewisse Noten, nothwendig im Herunterstriche genommen werden müssen, so kann doch ein erfahrner Violinist, der den Bogen vollkommen in seiner Gewalt hat, dieselben ebenfalls im Hinaufstriche gut ausdrücken. Doch aber muß auch nicht ein jeder, aus dieser Freyheit des Bogens, einen Misbrauch machen: weil bey gewissen Gelegenheiten, wenn nämlich eine Note vor der andern eine besondere Schärfe erfodert, dennoch der Herunterstrich vor dem Hinaufstriche einen Vorzug behält.

12 §.

Im Adagio, müssen die schleifenden Noten, nicht mit dem Bogen gerücket, oder tockiret werden, es wäre denn, daß zugleich Puncte unter dem Bogen über den Noten stünden, s. Tab. XXII. Fig. 20. Es müssen auch keine sogenannten pincemens dabey angebracht werden, am wenigsten wenn sie nicht angedeutet sind: damit der Affect, den die schleifenden Noten ausdrücken sollen, auf keine Weise verhindert werde. Stehen aber an statt der Puncte, Striche; wie bey den zwo letzten Noten in diesem Exempel zu ersehen ist; so müssen die Noten in einem Bogenstriche scharf gestoßen werden. Denn, wie zwischen den Strichen und Puncten, wenn auch kein Bogen darüber steht, ein Unterschied zu machen ist: daß nämlich die Noten mit den Strichen abgesetzt; die mit den Puncten aber, [194] nur mit einem kurzen Bogenstriche, und unterhalten gespielet werden müssen: so wird auch ein gleicher Unterschied erfodert, wenn Bogen drüber stehen. Die Striche aber kommen mehr im Allegro als im Adagio vor.

Wenn diese Art von Sechzehntheilen: s. Tab. XXII. Fig. 21. im langsamen Zeitmaaße, schön vorgetragen werden sollen; so muß allezeit das erste von zweyen, so wohl im Zeitmaaße, als in der Stärke, schwerer seyn als das folgende: und hier muß das H im dritten Tactgliede bey nahe so gespielet werden, als wenn hinter dem H ein Punct stünde.

13 §.

Wenn im Adagio über punctirten Noten, Bogen stehen, s. Tab. XXII. Fig. 22; so muß die Note nach dem Puncte nicht gestoßen, sondern durch ein verlierendes Piano, an die erste geschleifet werden.

Wenn hinter der zweyten Note ein Punct steht, muß die erste, im Allegro, sie mag zwey- oder dreygeschwänzet seyn, sehr kurz, und mit dem Bogen stark gespielet; die mit dem Puncte [WS 1] aber gemäßiget, und mit dem Bogen bis zur folgenden unterhalten werden. Im Adagio muß die erste ebenfalls so kurz, wie im Allegro, doch ohne solche Stärke gespielet werden, s. Tab. XXII. Fig. 23. Wenn diese Noten ihre rechte Wirkung thun sollen, so muß allezeit zu zwoen und zwoen der Bogen wiederholet werden; so daß immer zwo, nicht aber vier auf einen Strich kommen.

Mit der, Tab. XXII. Fig. 24. befindlichen Art Noten, hat es gleiche Bewandtniß. Nur muß man sich dabey, nicht eines langen, hastigen, und schleppenden, sondern eines gelassenen, und kurzen Bogenstrichs bedienen: Sonst würde der Ausdruck zu frech und widerwärtig klingen.

In langsamen Stücken, müssen die mit Puncten versehenen Achttheile mit Sechzehntheile mit einem schweren Striche und[WS 2] unterhalten oder nourissant gespielet werden. Den Bogen muß man nicht absetzen, als wenn anstatt der Puncte Pausen stünden. Die Puncte müssen bis zu dem äußersten Ende ihrer Geltung gehalten werden: damit es nicht scheine, als ob einem die Zeit darüber lang werde, und das Adagio sich nicht in ein Andante verwandele. Wenn Striche drüber stehen, so bedeuten solche, daß die Noten markiret werden müssen. Die nach dem Puncte kommenden doppelt geschwänzten Noten, müssen so wohl im langsamen als geschwinden Zeitmaaße, allezeit sehr kurz und scharf gespielet werden: weil die punctirten Noten, überhaupt etwas Prächtiges und Erhabenes ausdrücken; daher eine jede Note, sofern keine Bogen darüber stehen, [195] ihren besondern Bogenstrich erfodert, weil sonst nicht möglich ist, die kurze Note nach dem Puncte, durch einen Ruck des Bogens so scharf auszudrücken: als es durch einen neuen Hinaufstrich geschehen kann.

14. §.

Wenn im langsamen Zeitmaaße kleine halbe Töne unter den Gesang vermischet sind, s. Tab. XXII. Fig. 25. so müssen diejenigen, so durch ein Kreuz oder Wiederherstellungs-Zeichen erhöhet sind, etwas stärker als die übrigen gehöret werden; welches durch stärkeres Aufdrücken des Bogens, bey Seyteninstrumenten, bei dem Singen und den Blasinstrumenten aber, durch Verstärkung des Windes bewerkstelliget werden kann. Wenn zwo Noten vorkommen, deren letzte um einen halben Ton erhöhet oder erniedriget wird, die aber einen Bogen über sich haben, s. Tab. XXII. Fig. 26. so thut es bessere Wirkung, wenn die zweyte Note mit dem folgenden Finger genommen, und zugleich der Bogenstrich zu derselben verstärket wird, als wenn man sie durch das Hinauf- oder Herunterschieben des Fingers angeben wollte. Denn im Langsamen muß es klingen, als wenn es nur eine Note wäre. Ueberhaupt merke man, daß auch bey einem geschwinden Zeitmaaße, wenn etliche Noten zu Viertheilen oder halben Tacten durch das Erhöhungszeichen erhöhet, oder durch das erniedriget werden, besonders wenn dergleichen etliche stufenweise nach einander, entweder auf- oder abwärts folgen, s. Tab. XXII. Fig. 27. man dieselben unterhalten, und mit mehrerer Stärke und Kraft als andere spielen müsse.

15. §.

Mit gleicher Stärke und Unterhaltung des Tones müssen auch diejenigen langen Noten gespielet werden, welche unter geschwinde und lebhafte gemischet sind. Z. E. s. Tab. XXII. Fig. 28.

16. §.

Wenn nach einer langen Note, und kurzen Pause, dreygeschwänzte Noten folgen, s. Tab. XXII. Fig. 29. so müssen die letztern allezeit sehr geschwind gespielet werden; es sey im Adagio oder Allegro. Deswegen muß man mit den geschwinden Noten, bis zum äußersten Ende des Zeitmaaßes warten, um das Gleichgewicht des Tactes nicht zu verrücken.

Wenn im langsamen Allabreve, oder auch im gemeinen geraden Tacte, eine Sechzehntheilpause im Niederschlage steht, worauf punctirte Noten, s. Tab. XXII. Fig. 30. 31., folgen; muß die Pause angesehen werden, als wenn entweder noch ein Punct, oder noch eine halb so viel geltende [196] Pause dahinter stünde und die darauf folgende Note, noch einmal mehr geschwänzet wäre.

17. §.

Wenn ein langsames und trauriges Stück mit einer Note im Aufheben des Tactes anfängt, sie sey ein Achttheil im gemeinen geraden, oder ein Viertheil im Allabrevetacte, s. Tab. XXII. Fig. 32. 33; so muß dieselbe Note nicht zu hastig und stark, sondern mit einer gelassenen und langsamen Bewegung des Bogens, auch mit zunehmender Stärke des Tones, angegeben werden: um den Affect der Traurigkeit gehörig auszudrücken. Man muß sich aber bey einer solchen Note nicht länger aufhalten als es das Zeitmaaß erfodert, damit die übrigen Instrumentisten dadurch das rechte Tempo gleich fassen können. Im weitern Fortgange des Stücks, kann man mit dergleichen langsamen Noten eben so verfahren.

18. §.

Die gebrochenen Accorde, wo drey oder vier Seyten mit einem Bogenstriche auf einmal berühret werden, sind von zweyerley Art; s. Tab. XXII. Fig. 34. 35. Bey der einen, wenn eine Pause folget, muß der Bogen abgesetzet werden: bey der andern aber, wenn keine Pause folget, bleibt der Bogen auf der obersten Seyte liegen. Bey beyden Arten, müssen die untersten, so wohl im langsamen als geschwinden Tempo, nicht angehalten, sondern geschwind nach einander berühret werden: damit es nicht klinge, als wenn es, durch einen Accord gebrochene, Triolen wären. Und weil diese Accorde gebrauchet werden, das Gehör unvermuthet durch eine Heftigkeit zu überraschen; so müssen diejenigen, auf welche Pausen folgen, ganz kurz, und mit der größesten Stärke des Bogens, nämlich mit seinem untersten Theile gespielet werden; und so viel als deren nach einander folgen, jeder mit dem Herunterstriche.

19. §.

Von der verschiedenen Art der Vorschläge, und ihrem Zeitmaaße, ist zwar bereits im VIII. Hauptstücke gehandelt worden. Weil aber nicht ein jeder Violinist die Art des Zungenstoßes versteht, um den Bogenstrich darnach einzurichten: so ist nöthig, hier dieser wegen eine Erklärung beyzufügen, und überhaupt eine Regel feste zu setzen, nämlich: Eine jede vorgesetzte kleine Note, sie sey lang oder kurz, erfodert ihren besondern Bogenstrich, und muß niemals an die vorgehende Hauptnote geschleifet werden; weil sie anstatt der folgenden Hauptnote angestoßen [197] wird. Die Ueberzeugung davon ist aus der Singmusik zu nehmen. Man wird finden, daß ein Sänger, woferne er bey solcher Gelegenheit Worte auszusprechen hat, diejenigen Sylben, so unter die Hauptnoten gehören, nicht unter denselben, sondern unter den vorhaltenden kleinen Noten ausspricht.

20. §.

Die langen Vorschläge, so ihre Zeit mit der folgenden Note theilen, muß man im Adagio, ohne sie zu markiren, mit dem Bogen an der Stärke wachsen lassen, und die folgende Note sachte dran schleifen, so daß die Vorschläge etwas stärker, als die darauffolgenden Noten klingen. Im Allegro hingegen kann man die Vorschläge ein wenig markiren. Die kurzen Vorschläge, zu welchen die, so zwischen den unterwärts gehenden Terzensprüngen stehen, gerechnet werden, müssen ganz kurz und weich, und so zu sagen nur wie im Vorbeygehen berühret werden. Z. E. diese, s. Tab. XXII. Fig. 36. 37. dürfen nicht angehalten werden, zumal im langsamen Tempo: sonst klingt es, als wenn sie mit ordentlichen Noten ausgedrücket wären, wie Fig. 38. 39. zu ersehen ist. Dieses aber würde nicht nur dem Sinne des Componisten, sondern auch der französischen Art zu spielen, von welcher diese Vorschläge doch ihren Ursprung haben, zuwider seyn. Denn die kleinen Noten gehören noch in die Zeit der vorhergehenden Note, und dürfen also nicht, wie bey dem zweyten Exempel steht, in die Zeit der folgenden kommen.

21. §.

Wenn im langsamen Tempo zwo kleine eingeschwänzte Nötchen vorkommen, hinter deren ersterer ein Punct stehet, s. Tab. XXII. Fig. 40; so bekommen selbige die Zeit von der darauf folgenden Hauptnote; die Hauptnote selbst aber, nur die Zeit von dem Puncte. Sie müssen mit viel Affect gespielet, und auf die Art ausgedrücket werden, wie die Noten bey Fig. 41. zeigen. Man muß die mit zweenen Puncten versehene Note im Herunterstriche nehmen, und den Ton an Stärke wachsen lassen; die zwo folgenden, durch ein verlierendes Piano, an die erste schleifen; die letzte kurze aber mit dem Hinaufstriche wieder erheben.

22. §.

Wenn aber dergleichen Manieren mit ordentlichen Noten ausgedrücket sind, s. Tab. XXII. Fig. 42. so müssen selbige, in einem Ritornell, nach ihrer gehörigen Geltung gespielet werden: zumal wenn die Stimme mehr als einmal besetzet ist; oder wenn eine andre Stimme dieselbe Figur [198] in Terzen oder Sexten, mit der ersten aus gleiche Art mit machet. Die erstern Noten, worüber ein Bogen steht, müssen im Herunter- und die zwo letztern, im Hinaufstriche genommen werden.

23. §.

Die zwo kleinen zweygeschwänzten Noten, s. Tab. XXII. Fig. 43. welche mehr im französischen als italiänischen Geschmacke üblich sind, müssen nicht so langsam wie die oben beschriebenen, sondern präcipitant gespielet werden, wie Fig. 44. zu ersehen ist.

24. §.

Von den Trillern ist im IX. Hauptstücke überhaupt gehandelt worden: weswegen ich mich hier darauf beziehe. Hier will ich noch anmerken, daß, wenn über ettliche geschwinde Noten Triller geschrieben sind, der Vor- und Nachschlag, wegen Kürze der Zeit, nicht allezeit statt finde: sondern daß öfters nur halbe Triller geschlagen werden. Ist der Vor- und Nachschlag nur bey der ersten Note angezeigt, s. Tab. XXII. Fig. 45. so versteht sich, daß man die folgenden Triller auf gleiche Art schlagen müsse.

Steht ein Triller über einer Triole, s. Tab. XXII. Fig. 46. so machen die zwo letzten Noten den Nachschlag aus.

Wenn etliche Noten, auf eben dem Tone, an einander gebunden sind, und über der ersten ein Triller steht; muß der Triller bis zum Ende, ohne Wiederholung des Bogenstrichs unterhalten werden: s. Tab. XXII. Fig. 47.

Wenn vor zwo geschwinden Noten ein Vorschlag, und hinter der dritten ein Punct steht, s. Tab. XXII. Fig. 48. so muß diese Figur bis an die letzte Note, in einem Bogenstriche, sehr geschwind und präcipitant gespielet werden. Steht aber an statt des Puncts eine Pause, so wird der Bogen abgesetzet.

Wenn vor punctirten Noten Vorschläge stehen, s. Tab. XXII. Fig. 49. so müssen weder Triller noch Mordanten angebracht werden. Stehen aber über dergleichen Noten, sie mögen steigend oder fallend seyn, Triller, oder, anstatt der Puncte, Pausen: so versteht sich, daß man die Triller ohne Nachschlag mache; und bey den Puncten den Bogen absetze.

Wenn alle Instrumente mit dem Basse im Unison gehen, das ist, alle eben dieselben Noten spielen die der Baß spielet, es mag eine oder mehrere Octaven höher seyn, so thut ein langsamer Triller, wenn er von allen [199] in einerley Geschwindigkeit geschlagen wird, bessere Wirkung, als ein ganz geschwinder. Denn die sehr geschwinde Bewegung, wenn sie mit vielen Instrumenten zugleich geschieht, verursachet mehr Verwirrung als Deutlichkeit, besonders an einem Orte wo es schallet. Deswegen muß man alsdenn die Finger, in einer mäßigen Geschwindigkeit, egal, doch etwas höher als sonst aufheben.

25. §.

Bis hieher haben wir den Bogenstrich, an sich selbst, und wie einzelne Noten in denselben eingeteilt, und durch ihn ausgedrücket werden müssen, betrachtet. Nun ist nöthig abzuhandeln, was für Arten des Bogenstrichs, ein jedes Stück, ein jedes Zeitmaaß, und eine jede auszudrückende Gemüthsbewegung erfodere. Denn diese lehren den Violinisten, und alle die sich mit Bogeninstrumenten beschäftigen, ob der Strich lang oder kurz, schwer oder leicht, scharf oder gelassen seyn solle.

26. §.

Ueberhaupt ist anzumerken, daß im Accompagnement, insonderheit bey lebhaften Stücken, ein, nach Art der Franzosen geführter, kurzer und articulirter Bogenstrich, viel bessere Wirkung thut, als ein italiänischer, langer und schleppender Strich.

Das Allegro, Allegro assai, Allegro di molto, Presto, Vivace, erfodern, besonders im Accompagnement, wo man bey dieser Art von Stücken mehr tändelnd als ernsthaft spielen muß, einen lebhaften, ganz leichten, tockirten, und sehr kurzen Bogenstrich: doch muß eine gewisse Mäßigung des Tones dabey in Acht genommen werden.

Ist das Allegro mit Unison untermischet; so muß es mit einem scharfen Bogenstriche, und ziemlicher Stärke des Tones gespielet werden.

Ein Allegretto, oder ein Allegro das durch folgende dabey stehende Worte, als: non presto, non tanto, non troppo, moderato, u. s. w. gemäßiget wird, muß etwas ernsthafter, und mit einem zwar etwas schweren, doch muntern und mit ziemlicher Kraft versehenen Bogenstriche, ausgeführt werden. Die Sechzehntheile im Allegretto, so wie im Allegro die Achttheile, erfodern insonderheit einen ganz kurzen Bogenstrich: und muß derselbe nicht mit dem ganzen Arme, sondern nur mit dem Gelenke der Hand gemachet, auch mehr tockiret als gezogen werden; so daß so wohl der Auf- als Niederstrich, durch einen Druck, einerley Endigung bekomme. Die geschwinden Passagien hingegen, müssen mit einem leichten Bogen gespielet werden.

[200] Ein Arioso, Cantabile, Soave, Dolce, poco Andante, wird gelassen, und mit einem leichten Bogenstriche, vorgetragen. Ist auch gleich das Arioso mit verschiedenen Arten von geschwinden Noten untermischet; so verlangt es doch ebenfalls einen leichten und gelassenen Strich des Bogens.

Ein Maestoso, Pomposo, Affettuoso, Adagio spiritoso, will ernsthaft, und mit einem etwas schweren und scharfen Striche gespielet seyn.

Ein langsames und trauriges Stück, welches durch die Worte: Adagio assai, Pesante, Lento, Largo assai, Mesto, angedeutet wird, erfodert die größte Mäßigung des Tones, und den längsten, gelassensten, und schwersten Bogenstrich.

Ein Sostenuto, welches das Gegentheil von dem weiter unten vorkommenden Staccato ist, und aus einem an einander hangenden ernsthaften harmoniösen Gesange besteht, worinne viele punctirte, zu zwoen und zwoen an einander geschleifete Noten mit angetroffen werden, pfleget man mehrentheils mit dem Worte: Grave zu betiteln. Deswegen muß es mit einem langen und schweren Bogenstriche, sehr unterhalten und ernsthaft, gespielet werden.

In allen langsamen Stücken muß insonderheit das Ritornell, vornehmlich wenn punctirte Noten vorkommen, ernsthaft gespielet werden: damit die concertirende Stimme, wenn solche denselben Gesang zu wiederholen hat, sich von dem Tutti unterscheiden könne. Sind aber schmeichelnde Gedanken mit untermenget; so müssen selbige auf eine angenehme Art vorgetragen werden. Bey allen, insonderheit aber bey langsamen Stücken, müssen sich die Ausführer derselben immer in den Affect des Componisten setzen, und solchen auszudrücken suchen. Hierzu kann nebst andern, oben beschriebenen, Erfodernissen, auch das Ab- und Zunehmen der Stärke des Tones viel beytragen; wofern es nämlich mit Gelassenheit, und nicht durch ein heftiges und unangenehmes Drücken geschieht. Hätte aber ein solches Stück das Unglück, daß der Componist bey desselben Verfertigung, selbst von wenig oder von gar keinem Affecte gerühret worden wäre: so wird bey aller Mühe der Ausführer, doch kein besonderer Ausdruck zu erwarten seyn.

Von der Art des Strichs, der bey der französischen Tanzmusik zu brauchen ist, findet man im 58. §. des VII. Abschnitts dieses Hauptstücks, Nachricht.


[201]
27. §.

Wenn bey einem Stücke: staccato steht, so müssen die Noten alle kurz gespielet, und mit dem Bogen abgesetzet werden. Da man aber, in gegenwärtigen Zeiten, selten ein Stück von einerley Noten zu setzen pfleget; sondern auf eine gute Vermischung derselben sieht: so werden über diejenigen Noten, welche das staccato erfodern, Strichelchen geschrieben.

Man muß sich aber bey diesen Noten nach dem Zeitmaaße, ob das Stück sehr langsam, oder sehr geschwind gespielet wird, richten, und die Noten im Adagio nicht eben so kurz, als die im Allegro, abstoßen: sonst würden die im Adagio allzutrocken und mager klingen. Die allgemeine Regel so man davon geben kann, ist diese: Wenn über etliche Noten Strichelchen stehen, müssen dieselben halb so lange klingen, als sie an und vor sich gelten. Steht aber nur über einer Note, auf welche etliche von geringerer Geltung folgen, ein Strichelchen: so bedeutet solches, nicht nur daß die Note halb so kurz seyn soll; sondern daß sie auch zugleich, mit dem Bogen, durch einen Druck markiret werden muß.

Also werden aus Viertheilen, Achttheilen, und aus Achttheilen Sechzehntheile u. s. w.

Oben ist gesaget worden, daß bey den Noten über welchen Strichelchen stehen, der Bogen von der Seyte etwas abgesetzet werden müsse. Dieses verstehe ich nur von solchen Noten, bey denen es die Zeit leidet. Also werden im Allegro die Achttheile, und im Allegretto die Sechzehntheile, wenn deren viele auf einander folgen, davon ausgenommen: denn diese müssen zwar mit einem ganz kurzen Bogenstriche gespielet, der Bogen aber niemals abgesetzet, oder von der Seyte entfernet werden. Denn wenn man ihn allezeit so weit aufheben wollte, als zum sogenannten Absetzen erfodert wird; so würde nicht Zeit genug übrig seyn, ihn wieder zu rechter Zeit drauf zu bringen; und diese Art Noten würden klingen als wenn sie gehacket oder gepeitschet würden.

In einem Adagio können die Noten, so unter der concertirenden Stimme eine Bewegung machen, wenn auch keine Strichelchen drüber stünden, dennoch als ein halb staccato angesehen, und folglich zwischen einer jeden Note, ein klein Stillschweigen beobachtet werden.

Wenn über den Noten Puncte stehen; so müssen solche mit einem kurzem Bogen tockiret, oder gestoßen, aber nicht abgesetzet werden. Steht über den Puncten noch ein Bogen; so müssen die Noten, so viel [202] deren sind, in einem Bogenstriche genommen, und mit einem Drucke markiret werden.

28. §.

Nicht allein die richtige Einteilung der Bogenstriche; nicht allein das zu rechter Zeit zu brauchende starke oder schwache Ausdrücken des Bogens auf die Seyten; sondern auch der Ort an welchem die Seyten damit berühret werden müssen, und was ein jeder Theil des Bogens für Kraft habe, ist denenjenigen zu wissen nöthig, die den Bogen recht führen, und damit gute Wirkungen hervorbringen wollen. Es kömmt viel darauf an, ob der Bogen nahe am Stege, oder weit von demselben geführet wird; auch ob man die Seyten mit dem untersten Theile, mit der Mitte, oder mit der Spitze des Bogens anstreichet. Seine größte Stärke liegt im untersten Theile, der der rechten Hand der nächste ist, die mäßige Stärke liegt in der Mitte; und die schwächste bey der Spitze des Bogens. Wird nun derselbe allzunahe beym Stege geführet, so wird der Ton zwar schneidend und stark, aber auch zugleich dünne, pfeifend, und kratzend: besonders auf der besponnenen Seyte. Denn die Seyten sind ganz nahe am Stege zu stark gespannet: folglich hat der Bogen die Gewalt nicht, dieselben in einen, mit dem übrigen langen Theile der Seyte in gehörigem Verhalte stehenden, gleichen Schwung zu bringen, um die erfoderliche Zitterung der Seyte zu erregen.

Da nun dieses bey der Violine keine gute Wirkung thut: so ist leicht zu erachten, daß es bey der Bratsche, dem Violoncell, und Contraviolon, noch viel schlechter klingen müsse: besonders weil auf diesen Instrumenten die Seyten um so viel dicker und länger sind, als auf der Violine. Um aber darinne die rechte Maaße zu treffen, halte ich dafür, daß, wenn ein guter Violinist, um einen dicken männlichen Ton heraus zu bringen, den Bogen einen Finger breit vom Stege abwärts führet, daß alsdenn der Bratschist die Entfernung von zweenen, der Violoncellist von drey, bis vier, und der Contraviolinist von sechs Fingern breit nehmen müsse. Man merke, daß auf den dünnen Seyten eines jeden Instruments, der Bogen etwas näher am Stege, auf den dicken Seyten aber, etwas weiter von ihm abwärts geführet werden könne.

Will man den Ton in der Stärke wachsen lassen, so kann man, in währendem Streichen, den Bogen fester aufdrücken, und etwas näher zum Stege führen, wodurch der Ton stärker und schneidender wird. Bey [203] dem Piano aber, kann der Bogen, auf einem jeden Instrumente, noch etwas weiter, als oben gesaget worden, vom Stege abwärts geführet werden: um die Seyten mit der Mäßigung des Bogens desto leichter in Schwung zu bringen.

29. §.

Bey einigen Stücken pfleget man Dämpfer oder Sordinen auf die Violine, Bratsche, und den Violoncell zu setzen: um so wohl den Affect der Liebe, Zärtlichkeit, Schmeicheley, Traurigkeit, auch wohl, wenn der Componist ein Stück darnach einzurichten weis, eine wütende Gemüthsbewegung, als die Verwegenheit, Raserey und Verzweifelung, desto lebhafter auszudrücken: wozu gewisse Tonarten, als: E moll, C moll, F moll, Es dur, H moll, A dur, und E dur, ein Vieles beytragen können. Die Sordinen werden aus unterschiedenen Materien, als: Holz, Bley, Messing, Blech und Stahl gemachet. Die von Holz und Messing taugen gar nichts; weil sie einen schnarrenden Ton verursachen. Die von Stahl sind eigentlich die besten; wenn sie nur ihr gehöriges, den Instrumenten gemäßes Gewicht haben. Die Dämpfer zur Bratsche und zum Violoncell müssen mit der Größe dieser Instrumente in richtigem Verhalte stehen, und folglich immer zu dem einen Instrumente größer als zum andern seyn. Ich erinnere hier beyläufig, daß die blasenden Instrumentisten besser thun, wenn sie, anstatt Papieres oder anderer Sachen, ein Stück feuchten Schwamm in die Oeffnung ihrer Instrumente hinein stecken, wenn sie dieselben dämpfen wollen.

30. §.

Bey den Dämpfern ist zu merken, daß man in langsamen Stücken mit Sordinen, nicht mit der größten Stärke des Bogens spielen, und die bloßen Seyten, so viel als möglich ist, vermeiden müsse. Bey geschleiften Noten kann man den Bogen etwas feste aufdrücken. Wenn aber die Melodie eine öftere Wiederholung des Bogens erfodert, so thut ein kurzer, und durch einen Druck belebter, leichter Strich, bessere Wirkung, als ein langer, gezogener, oder schleppender Strich: doch muß man sich hierinne nach der Sache, die man zu spielen hat, richten.

31. §.

Die Stelle des Bogens vertreten zuweilen die Finger, durch das Reissen oder Kneipen der Seyten, welches das sogenannte Pizzicato ist. Dieses machen die meisten mehrentheils mit dem Daumen. Ich will nicht in Abrede seyn, daß ein guter Violinist, solches nicht auf eine angenehme [204] Art zu machen, und so zu mäßigen wissen sollte, daß man das Aufschlagen der Seyte auf das Griffbret nicht bemerke. Weil aber nicht ein jeder hierinne eben dieselbe Geschiklichkeit besitzt; indem man öfters wahrnimmt, daß es von manchen sehr hart klingt, und die darunter gesuchte Wirkung nicht allezeit erfolget: so befinde ich für nöthig, meine Meynung hierüber zu entdecken. Es ist bekannt, das man aus der Laute die Oberstimme mit den letzten vier Fingern, und den Baß mit dem Daumen spielet: nun ist das Pizzicato auf der Violine eine Nachahmung der Laute oder des Mandolins; folglich wird auch erfodert, solches denselben, so viel als möglich ist, ähnlich zu machen. Ich befinde also für besser, wenn es nicht mit dem Daumen, sondern mit der Spitze des Zeigefingers geschieht. Man fasse die Seyte nicht von unten, sondern seitwärts, damit sie ihren Schwung eben so, und nicht rückwärts auf das Griffbret nehme. Hierdurch wird der Ton viel natürlicher und dicker, als wenn man die Seyte mit dem Daumen reisset. Denn derselbe nimmt, wegen seiner Breite, einen größern Theil der Seyte ein, und übertreibt durch seine Stärke absonderlich die dünnen Seyten: wie die Erfahrung zeigen wird, sofern man beyde Arten gegen einander versuchen will. Es muß auch weder zu nahe am Stege, noch zu nahe bey den Fingern der linken Hand; sondern bey dem Ende des Griffbretes geschehen. Deswegen kann man den Daumen seitwärts an dasselbe setzen, um mit dem Finger eine jede Seite desto leichter zu treffen. Bey denen Accorden aber, wo drey Seyten in der Geschwindigkeit nach einander, und zwar die tiefste zuerst, angegeben werden müssen, ist es nöthig, das spizzicato mit dem Daumen auszuüben. Bey einer kleinen Musik in der Kammer, dürfen die Seyten nicht zu stark gerissen werden, wenn es nicht unangenehm klingen soll.

32. §.

Vom Gebrauche der Finger der linken Hand ist zu merken, daß die Stärke des Aufdrückens derselben, jederzeit, mit der Stärke des Bogenstrichs, in rechtem Verhalte stehen müsse. Läßt man den Ton in einer Haltung (tenuta) an der Stärke wachsen: so muß auch der Finger, zunehmend aufgedrücket werden. Um aber zu vermeiden, daß der Ton nicht höher werde; muß man den Finger gleichsam unvermerkt zurück ziehen; oder dieser Gefahr durch eine gute und nicht geschwinde Bebung abhelfen. Diejenigen, welche die Finger allzuhoch aufheben, pflegen zwar einen scharfen Triller zu schlagen; sie sind aber dabey der Gefahr ausgesetzet, [205] daß sie gar leicht falsch, und gemeiniglich zu hoch greifen; besonders in den Molltönen: wie denn auch bey ihnen das Laufwerk mehrentheils ungleich und nicht rund klingt; weil sie die Finger, wegen Ungleichheit ihrer Länge, ungleich abwechseln. Der kleine Finger ist ohnedem gemeiniglich schwächer als die andern drey, deswegen muß man suchen ein Mittel zu finden, die Stärke in den drey längern Fingern zu mäßigen; dagegen aber dem kleinen Finger durch eine Art von schnellem Schlage zu Hülfe zu kommen, um also das gehörige Verhältniß mit den andern zu treffen. Ueberhaupt sollten alle jungen Violinisten den kleinen Finger fleißig üben: und zwar mehr als eines höchstnöthigen Vortheils wegen.

33. §.

Das sogenannte mezzo manico, da die Hand um einen halben, ganzen, oder mehrere Töne weiter auf dem Griffbrete hinauf gesetzet wird, giebt einen großen Vortheil, nicht nur um die bloßen Seyten, welche anders klingen, als wenn die Finger darauf stehen, bey gewissen Gelegenheiten zu vermeiden; sondern auch noch in vielen andern Fällen; hauptsächlich im Cadenziren. Z. E. Bey denen Tab. XXII. Fig. 50. 51. angemerkten Tönen, sind die Triller mit dem dritten Finger gemeiniglich besser, als mit dem kleinen, zu machen.

Man versuche die drey Exempel, Tab. XXII. Fig. 52. a) b) c) in der gewöhnlichen Lage; und rücke darauf die Hand einen Ton höher, so daß man bey a), anstatt des dritten Fingers, den zweyten; und bey b) und c) anstatt des zweyten Fingers den ersten brauche: so wird man bald, wegen des Gleichlauts, einen großen Unterschied in der Ausnahme bemerken.

34. §.

Wenn die concertirende Stimme nur von Violinen begleitet wird; so muß jeder Violinist wohl Achtung geben, ob er eine pure Mittelstimme, oder eine, in gewissen kleinen Sätzen, mit der concertirenden abwechselnde Stimme, oder ein Bassetchen, zu spielen habe. Bey der Mittelstimme muß er die Stärke des Tones sehr mäßigen. Wenn er etwas abwechselndes hat, kann er stärker, das Bassetchen aber noch stärker spielen: absonderlich, wenn er von dem Concertisten, oder auch von den Zuhörern, weit entfernet ist. Haben beyde Violinen nur Mittelstimmen, so müssen sie auch in einerley Stärke spielen. Hat die zweyte Violine im [206] Ritornell, gegen die erste eine ähnliche Melodie, es sey in der Terze, Sexte, oder Quarte; so kann die zweyte mit der ersten in einerley Stärke spielen. Ist es aber auch nur, wie im obigen Falle, eine Mittelstimme; so muß die zweyte Violine ebenfalls den Ton etwas mäßigen: weil die Hauptstimmen allezeit mehr als die Mittelstimmen gehöret werden müssen.

35. §.

Wenn die Violinisten eine schwache concertirende Stimme zu begleiten haben, so muß solches mit vieler Mäßigung geschehen. Sie müssen die Art des Accompagnements wohl betrachten: ob die Bewegung desselben, aus geschwinden oder langsamen, aus gleichen oder springenden Noten bestehe, ob solches tiefer, höher, oder mit der Concertstimme in derselben Gegend gesetzet sey; ob es zwey- drey- oder vierstimmig sey; ob die Concertstimme einen schmeichelnden Gesang, oder Passagien zu spielen habe; ob die Passagien aus weitläufigen Sprüngen, oder aus rollenden Noten bestehen; und ob diese Noten in der Tiefe oder Höhe sich befinden. Dieses alles erfodert eine große Behutsamkeit. Z. E. Eine Flöte ist in der Tiefe nicht so durchdringend, als in der Höhe, besonders in Molltönen; sie wird auch, von rechtswegen, nicht allezeit in einerley Stärke, sondern, nachdem es die Sache erfodert, bald schwach, bald mittelmäßig, bald stark gespielet. Ein gleiches fällt auch bey schwachen Singstimmen, und andern nicht allzustarken Instrumenten vor. Die Violinisten müssen also beständig Achtung geben, daß die concertirende Stimme niemals unterdrücket, sondern allezeit vor andern gehöret werde.




[207]

Des XVII. Hauptstücks
III. Abschnitt.
Von dem Bratschisten insbesondere.


1. §.

Die Bratsche wird in der Musik mehrentheils für etwas geringes angesehen. Die Ursache mag wohl diese seyn, weil dieselbe öfters von solchen Personen gespielet wird, die entweder noch Anfänger in der Musik sind; oder die keine ordentlichen Gaben haben, sich auf der Violine hervor zu thun; oder auch weil dieses Instrument seinem Spieler allzuwenig Vortheil bringt: weswegen geschikte Leute sich nicht gerne dazu brauchen lassen. Dem ungeachtet halte ich dafür, daß ein Bratschist eben so geschikt seyn müsse, als ein zweyter Violinist: wofern das ganz Accompagnement nicht mangelhaft seyn soll.

2. §.

Er muß nicht allein einen eben so guten Vortrag im Spielen haben, als der Violinist, sondern er muß gleichfalls etwas von der Harmonie verstehen: damit er, wenn er, wie in Concerten üblich ist, zuweilen des Bassisten Stelle vertreten, und das Bassetchen spielen muß, mit Behutsamkeit zu spielen wisse, und der Concertist nicht mehr Sorge für ihn, als für seine eigene Stimme haben dürfe.

3. §.

Er muß in seiner Stimme beurtheilen können, welche Noten sangbar oder trocken, stark oder schwach, mit einem langen oder kurzen Bogen, gespielet werden müssen: imgleichen ob er nur zwo oder mehr Violinen, viel oder wenig Bässe gegen sich habe: und so er die Grundstimme zu spielen hat, ob die concertirende stark oder schwach spiele; ob das Stück traurig, lustig, prächtig, schmeichelnd, modest oder frech gesetzet sey: [208] indem er, bey einem jeden Affecte, sich mit dem Bassetchen darnach richten, und der Oberstimme bequemen muß.

4. §.

Er muß unterscheiden, ob er Arien, Concerten, oder andere Arten von Musik zu begleiten habe. Bey Arien kömmt er leicht durch: weil er allda mehrentheils nur eine pure Mittelstimme, oder etwa den Baß mit zu spielen hat. In Concerten aber giebt es öfters ein mehrers zu thun; indem bisweilen der Bratsche, anstatt der zweyten Violine, die Nachahmung, oder eine der Oberstimme ähnliche Melodie gegeben wird: zugeschweigen daß die Bratsche auch wohl bisweilen ein singendes Ritornell mit den Violinen im Unison spielen muß; welches bey einem Adagio besonders gute Wirkung thut. Hat nun der Bratschist, bey dergleichen Umständen, keinen deutlichen und angenehmen Vortrag, so wird durch ihn die schönste Composition verdorben: besonders wenn in einem solchen Stücke eine jede Stimme nur einmal besetzet ist.

5. §.

Will man noch weiter gehen; so wird von einem guten Bratschisten erfodert, daß er auch im Stande sey, selbst eine concertirende Stimme, eben so gut als ein Violinist, zu spielen: zum Exempel, ein concertirendes Trio, oder Quatuor. Wer weis, ob nicht diese schöne Art von Musik itzo eben deswegen nicht mehr so, wie ehedem, in der Mode ist: weil nämlich die wenigsten Bratschisten auf ihr Werk so viel Fleiß wenden, als sie sollten. Viele glauben, daß, wenn sie nur etwas weniges vom Tacte und der Einteilung der Noten verstünden, man von ihnen alsdenn nichts mehreres verlangen könnte. Doch dieses Vorurtheil gereichet zu ihrem eigenen Schaden. Denn wenn sie den gehörigen Fleiß anwenden wollten, könnten sie in einer großen Musik leicht ihr Glück verbessern, und nach und nach weiter hinauf rücken: anstatt daß sie mehrenteils, bis an ihr Ende, der Bratsche nicht los werden. Ja man hat Beyspiele, daß Leute, die sich in der Musik besonders hervorgethan, in ihrer Jugend die Bratsche gespielet haben. Auch nachgehends, da sie schon zu etwas mehrerem tüchtig waren, haben sie sich vielleicht nicht geschämet, dieses Instrument, wenn es die Noth erfoderte, zu ergreifen. Zum wenigsten empfindet derjenige, so accompagniret, mehr Vergnügen von der Musik, als der, welcher die Concertstimme spielet: und wer ein wahrer Musikus ist, der nimmt Antheil an der ganzen Musik; ohne sich zu bekümmern, ob er die erste oder letzte Partie spiele.


[209]
6. §.

Vor allen willkührlichen Zusätzen oder Auszierungen in seiner Stimme, muß sich ein guter Bratschist hüten.

7. §.

Die Achttheile in einem Allegro muß er mit einem ganz kurzen Bogenstriche, die Viertheile hingegen, mit einem etwas längern spielen.

8. §.

Hat er mit den Violinisten einerley Art Noten, sie mögen geschleifet oder gestoßen seyn; so muß er sich nach ihrer Art zu spielen richten, es sey cantabel oder lebhaft. Dieses wird absonderlich nöthig seyn, wenn er ein Ritornell mit den Violinen im Unison zu spielen hat: denn da muß er eben so cantabel und gefällig spielen, als die Violinisten selbst: damit man nicht gewahr werde, daß es verschiedene Instrumente sind. Haben aber seine Noten eine Aehnlichkeit mit dem Basse, so muß er solche eben so ernsthaft als der Baß vortragen.

9. §.

In einem traurigen Stücke, muß er seinen Bogenstrich sehr mäßigen, und denselben nicht mit Heftigkeit oder allzugroßer Geschwindigkeit bewegen; keinen harten und unangenehmen Druck mit dem Arme machen, nicht zu stark auf die Seyten drücken, nicht zu nahe am Stege spielen, sondern den Bogen, besonders auf den dicken Seyten, wohl zweene Finger breit davon abwärts führen: s. den II. Abschnitt, 28. §. Die Achttheile im gemeinen geraden, oder die Viertheile im Allabrevetacte, muß er, in dieser Art langsamer Stücke, nicht zu kurz und trocken, sondern alle unterhalten, angenehm, gefällig, und mit Gelassenheit spielen.

10. §.

In einem cantabeln Adagio, so aus Achttheilen und Sechzehntheilen besteht, auch mit scherzhaften Gedanken untermischet ist, muß der Bratschist alle kurzen Noten mit einem leichten und kurzen Bogenstriche, und zwar nicht mit dem ganzen Arme, sondern nur mit der Hand, durch die Bewegung des ersten Gelenkes, ausführen, auch dabey weniger Stärke als sonst gebrauchen.

11. §.

Weil eine Bratsche, wenn es ein gutes und starkes Instrument ist, gegen vier, auch wohl sechs Violinen zulänglich ist: so muß der Bratschist, wofern nur etwa zwo oder drey Violinen mit ihm spielen, die Stärke des Tones mäßigen; damit er nicht den übrigen überlegen werde: besonders [210] wenn nur ein Violoncell, und kein Contraviolon sich dabey befindet. Die Mittelstimme, welche, an und vor sich, dem Zuhörer das wenigste Vergnügen machet, darf niemals so stark als die Hauptstimmen gehöret werden. Deswegen muß der Bratschist beurtheilen, ob die Noten, so er zu spielen hat, melodiös oder nur harmoniös sind. Die erstern kann er mit den Violinen in gleicher Stärke; die andern aber etwas schwächer spielen.

12. §.

Hat der Bratschist zuweilen die Grundstimme, so kann er sie etwas stärker als die übrigen Mittelstimmen vortragen. Doch muß er allezeit auf die Concertstimme hören, damit er solche nicht übertäube. Und wenn dieselbe bald stärker bald schwächer spielet, muß er sich gleichfalls mit der Stärke und Schwäche darnach richten, und das Ab- und Zunehmen des Tones mit allen zugleich beobachten.

13. §.

Kommen Nachahmungen gewisser Sätze der Haupt- oder der Grundstimme vor, so müssen solche mit der Stimme welcher sie nachahmen in gleicher Stärke gespielet werden. Ein sogenanntes Thema oder Hauptsatz einer Fuge aber, imgleichen sonst jeder Gedanke in einem Concert oder andern Stücke, der öfters wiederholet wird, muß, durch die Stärke des Tones, mit Nachdruck erhoben und markiret werden. Hierher gehören auch die langen Noten, sie seyn Viertheile, halbe, oder ganze Tacte, so auf geschwinde Noten folgen, und einen Aufenthalt in der Lebhaftigkeit machen: besonders die, vor denen ein Kreuz oder Wiederherstellungszeichen steht.

14. §.

Wird von dem Bratschisten verlanget, ein Trio oder Quatuor zu spielen; so muß er wohl beobachten, was vor Arten von Instrumenten er gegen sich hat: damit er sich, wegen der Stärke und Schwäche seines Tones, darnach richten könne. Gegen eine Violine kann er fast in einerley Stärke spielen; gegen einen Violoncello und Basson, in gleicher Stärke; gegen einen Hoboe etwas schwächer: weil der Ton gegen die Bratsche dünne ist. Gegen eine Flöte aber, besonders wenn sie in der Tiefe spielet, muß er die größte Schwäche gebrauchen.


[211]
15. §.

Ueberhaupt kömmt, bey Ausübung der Bratsche, viel auf eine proportionirliche Stärke und Schwäche des Tones an. Es würde schwer fallen, wenn man alle vorfallende Umstände beschreiben sollte. Deswegen wird von einem Bratschisten eben so viel Beurtheilungskraft erfodert, als von einem der die Grundstimme spielet.

16. §.

Wenn der Bratschist, in Ermangelung des Violoncells, ein Trio oder Solo begleitet; muß er, so viel als möglich ist, allezeit eine Octave tiefer spielen, als sonst, wenn er mit dem Basse im Unison geht; und wohl Acht haben, daß er die Oberstimme nicht übersteige: damit die Quinten in der Grundstimme nicht in Quarten verwandelt werden. Er wird also wohl thun, wenn er, bey einem Solo, immer ein Auge auf die Oberstimme richtet, um sich, wenn sie in der Tiefe spielet, auch darnach richten zu können. Z. E. Gesetzt, die Oberstimme hätte das eingestrichene A, und der Baß sein höchstes D: wollte der Bratschist dasselbe auf der kleinsten Seyte nehmen, so würde aus der Quinte, so die Stimmen gegen einander machen, die Quarte werden, und also nicht dieselbe Wirkung thun.

17. §.

Was übrigens vom Bogenstriche, vom Stoßen und Schleifen, vom Ausdrucke der Noten, vom Staccato, vom stark und schwach Spielen, vom Stimmen, u. s. w. im vorigen, und im letzten Abschnitte vorkömmt, kann sich der Bratschist, eben so wohl, als die Ripien-Violinisten zu Nutzen machen: nicht allein, weil ihm solches alles zu wissen nöthig ist; sondern auch, weil ich vermuthe, daß er nicht immer werde Bratschist verbleiben wollen.




[212]

Des XVII. Hauptstücks.
IV. Abschnitt.

Von dem Violoncellisten insbesondere.


1. §.

Wer auf dem Violoncell nicht nur accompagniret, sondern auch Solo spielet, thut sehr wohl, wenn er zwey besondere Instrumente hat; eines zum Solo, das andere zum Ripienspielen, bey großen Musiken. Das letztere muß größer, und mit dickern Seyten bezogen seyn, als das erstere. Wollte man mit einem kleinen und schwach bezogenen Instrumente beydes verrichten; so würde das Accompagnement in einer zahlreichen Musik gar keine Wirkung thun. Der zum Ripienspielen bestimmte Bogen, muß auch stärker, und mit schwarzen Haaren, als von welchen die Seyten schärfer, als von den weißen angegriffen werden, bezogen seyn.

2. §.

Der Bogenstrich muß nicht zu nahe beym Stege, sondern wohl drey bis vier Finger breit davon abwärts geführet werden, s. den II. Abschnitt, 28. §. Einige streichen mit dem Bogen so, wie es bey der Viola da Gamba üblich ist, nämlich: anstatt des Herunterstrichs, von der linken zur rechten Hand, bey den Hauptnoten, machen sie den Hinaufstrich, von der rechten zur linken, und fangen mit der Spitze des Bogens an. Andere hingegen machen es wie die Violinisten, und fangen denselben Strich mit dem untersten Theil des Bogens an. Diese letztere Art ist bey den Italiänern üblich, und thut nicht nur beym Solospielen, sondern auch vornehmlich bey dem Accompagnement, bessere Wirkung als die erste: weil die Hauptnoten mehr Stärke und Nachdruck erfodern, als die durchgehenden: welche ihnen aber, mit der Spitze nicht so, als mit dem untersten Theile des Bogens, gegeben werden können. Ueberhaupt muß der Violoncellist bemühet seyn, einen dicken, runden, und männlichen Ton aus [213] aus dem Instrumente zu bringen: wozu die Art, wie er den Bogen führet, und ob er denselben nahe oder weit vom Stege hält, ingleichen auch, ob er denselben stark oder schwach auf die Seyten drücket, viel beyträgt. Wollte er bey einer starken Musik die Zärtlichkeit so weit treiben, und sich so wenig hören lassen, daß er, anstatt des Bogens, die Seyten mit einem Flederwische zu berühren schiene; so würde er wenig Lob verdienen. Gewisse kleine Verdrehungen des Leibes, die bey diesem Instrumente nicht allezeit vermieden werden können, wird man ihm hoffentlich zu Gute halten.

3. §.

Ein Violoncellist muß sich hüten, daß er nicht, wie ehedem einige große Violoncellisten die üble Gewohnheit gehabt haben, den Baß mit Manieren zu verbrämen, und zur unrechten Zeit seine Geschiklichkeit zu zeigen suche. Denn wofern ein Violoncellist, wenn er die Setzkunst nicht versteht, im Basse willkührliche Manieren anbringen will; so thut er noch mehr Schaden, als ein Violinist bey der Ripienstimme: besonders wenn er solche Bässe vor sich hat, über welchen die Hauptstimme in beständiger Bewegung ist, um den simpeln Gesang mit Zusätzen auszuzieren. Es ist nicht möglich daß einer des andern Gedanken allezeit errathen könne; und wenn auch beyde gleiche Einsicht hatten. Ueberdem ist es ungereimt, den Baß, welcher die Zierrathen der andern Stimme unterstützen und harmoniös machen soll, selbst zu einer Art von Oberstimme zu machen, und ihn seines ernsthaften Ganges zu berauben; dadurch aber die nothwendigen Zierrathen der Oberstimme zu verhindern, oder zu verdunkeln. Es ist zwar nicht zu läugnen, daß einige melodiöse und concertirende Bässe bey einem Solo, etwas von Zusatze leiden; wenn nur der Ausführer des Basses genugsame Einsicht hat, und weis, an welchem Orte es sich thun läßt: und wenn bey solcher Gelegenheit, etwas von Zierrathen auf eine geschikte Art hinzugefüget wird; so wird die Sache desto vollkommener. Doch wenn der Violoncellist sich auf seine Wissenschaft nicht hinlänglich verlassen kann: so ist ihm zu rathen, daß er lieber den Baß so spiele, wie ihn der Componist gesetzet hat; als daß er aus Unwissenheit sich in die Gefahr begebe, viele ungereimte und übelklingende Noten zuzusetzen. Ein geschikter Zusatz von Zierrathen findet nirgends als bey einem Solo statt. Doch müssen zu der Zeit, wenn die Hauptstimme, bey simpeln Noten, nothwendig etwas zusetzen muß, die Noten des Basses ganz ohne allen willkührlichen Zierrath vorgetragen werden. Hat aber der Baß Nachahmungen; [214] so kann der Violoncellist eben dieselben Manieren, die ihm vorgemachet worden sind, nachmachen. Hat die Hauptstimme Pausen, oder haltende Noten; so kann er gleichfalls den Baß auf eine angenehme Art verändern: wenn nur die Hauptnoten im Basse nicht verdunkelt werden, und die Veränderungen so beschaffen sind, daß sie keine andere Leidenschaft ausdrücken, als das Stück erfodert. Deswegen muß der Violoncellist beständig suchen, dem Vortrage dessen so die Hauptstimme spielet, so wohl in der Stärke und Schwäche des Tones, als in Ausdrückung der Noten, nachzuahmen. Bey einer vollstimmigen Musik aber, ist den Violoncellisten ganz und gar nicht erlaubt, willkührlich etwas zuzusetzen: nicht allein, weil die Grundstimme ernsthaft und deutlich gespielet werden muß; sondern auch, weil solches, wenn es die übrigen Bässe eben so machten, eine große Verwirrung und Undeutlichkeit verursachen würde.

4. §.

Bey einem traurigen Adagio, müssen die langsamen Noten, nämlich die Achttheile im gemeinen geraden, und die Viertheile im Allabrevetacte, mit einem gelassenen Bogenstriche gespielet werden. Man muß dabey nicht mit dem Bogen, in einer Hastigkeit und Eil, bis an seine Spitze fahren: denn dieses würde den Affect der Traurigkeit verhindern, und das Gehör beleidigen. Im Allegro müssen die Viertheile unterhalten, oder nourissant, und die Achttheile ganz kurz gespielet werden. Im Allegretto so im Allabrevetacte gesetzt ist, geht es ebenso. Ist aber das Allegretto im gemeinen geraden Tacte gesetzet, so werden die Achttheile unterhalten, und die Sechzehntheile kurz gespielet. Die kurzen Noten müssen nicht mit dem ganzen Arme, sondern nur mit der Hand allein, und zwar durch die Bewegung des ersten Gelenks derselben gespielet werden: wovon im zweyten und sechsten Abschnitte ein nähreres zu ersehen ist.

5. §.

Alle Noten müssen in der Lage, so wie sie gesetzt sind, gespielet, und nicht einige bald eine Octave höher, bald eine tiefer genommen werden; besonders diejenigen, mit welchem die übrigen Stimmen im Unison mit gehen. Denn dergleichen Arten von Modulationen bestehen aus einer förmlichen Baßmelodie: und diese kann und darf auf keine Art verändert werden. Würden dergleichen Noten auf dem Violoncell eine Octave tiefer gespielet, als sie gesetzet sind: so würde die Entfernung gegen die Violinen [215] nicht nur zu weit seyn, sondern die Noten würden auch zugleich die gehörige Schärfe und Lebhaftigkeit, so darinne gesuchet wird, verlieren. Andere Baßnoten, die nicht mit den übrigen Stimmen im Unison gehen, leiden noch eher, daß man dann und wann, wenn kein Contraviolon zugegen ist, eine Octave tiefer spiele: doch müssen es nicht melodiöse, sondern nur harmonische,[WS 3] das ist, solche Gänge seyn, welche für sich keine eigene Melodie machen, sondern nur zum Grunde der obersten Melodieen dienen. Die Sprünge, in die Terze, Quarte, Quinte, Serie, Septime und Octave, auf- oder unterwärts, müssen nicht umgekehret werden: weil diese Sprünge öfters zu Bildung einer gewissen Melodie dienen, auch selten ohne Absicht von dem Componisten gesetzet werden; s. Tab. XXII. Fig. 53. Eine gleiche Bewandtniß hat es, wenn ein Gang von einem halben oder ganzen Tacte öfters wiederholet wird; doch so, daß dieselben Noten einmal um das andere, eine Octave tiefer oder höher gesetzet sind; s. Tab. XXII. Fig. 54. Ein solcher Baß muß gespielet werden wie er geschrieben ist. Denn wenn man diese Sprünge umkehren wollte, würde ein ganz anderer Sinn herauskommen.

6. §.

Weil der Violoncell, unter allen Bässen, den schärfsten Ton hat, und seine Stimme am deutlichsten ausdrücken kann; so hat sein Spieler auch vor andern den Vortheil voraus, daß er, bey Ausdrückung des Lichts und Schattens, den übrigen Stimmen helfen, und der ganzen Sache einen Nachdruck geben kann. Von ihm hängt am meisten ab, in einem Stücke das Zeitmaaß bey seiner Nichtigkeit, und die Lebhaftigkeit zu unterhalten; das Piano und Forte zur gehörigen Zeit auszudrücken; die verschiedenen Leidenschaften, welche in einem Stücke erreget werden sollen, zu unterscheiden und kennbar zu machen; und also dem Concertisten sein Spielen zu erleichtern. Er muß also weder eilen, noch nachschleppen: sondern seine Gedanken mit beständiger Aufmerksamkeit, so wohl auf die Pausen, als aus die Noten richten: damit man nicht genöthiget werde, ihn zu erinnern, wenn er nach einer Pause wieder anfangen, oder wenn er schwach oder stark spielen soll. Denn es ist bey einer Musik sehr unangenehm, wenn nach einer Pause, bey einem neuen Eintritte, nicht alle Stimmen zugleich mit Ernst anfangen; oder wenn das Piano oder Forte nicht bey der Note, wo es geschrieben ist, beobachtet wird: besonders wenn es an dem Basse fehlet, welcher der Sache den größten Ausschlag geben muß.

[216]
7. §.

Wofern der Violoncellist die Setzkunst, oder zum wenigsten etwas von der Harmonie versteht, so ist es ihm ein Leichtes, die verschiedenen Leidenschaften, welche in einem Stücke von dem Componisten ausgedrücket sind, mit dem Concertisten zugleich zu erheben und kennbar zu machen. Dieses wird von der begleitenden Stimme eben so wohl als vom Concertisten gefodert, und ist eine vorzügliche Schönheit des Accompagnements. Denn wenn nur einer seine Stimme gut, der andere aber kaltsinnig und nachlässig vorträgt, so widerspricht der eine, so zu reden, dem, was der andere bejahet: und die Zuhörer haben, wo nicht Verdruß, doch nur das halbe Vergnügen. Hierzu kann der Violoncellist leicht gelangen, wenn es ihm nicht an der Empfindung fehlet, und wenn er nicht auf seine Stimme allein, sondern auf das Ganze die gehörige Aufmerksamkeit richtet. Er muß sich hiernächst diejenige Art Noten bekannt machen, welche vor andern markiret und erhoben werden müssen. Diese sind, erstlich diejenigen, welche Dissonanzen über sich haben, als: die Secunde, die falsche Quinte, die übermäßige Sexte, die Septime; oder die Noten, welche durch das Kreuz oder das Wiederherstellungszeichen außerordentlicher weise erhöhet, oder durch dieses, und das runde , erniedriget werden. Auch gehöret hierher, wenn die Oberstimme eine Cadenz machet, und der Baß ordentlicher Weise eine Quart: über sich, oder eine Quinte unter sich zu springen hat, um mit der Oberstimme in die Octave zu gehen; derselbe aber durch einen Betrug oder sogenannten inganno, nur eine Stufe höher oder tiefer geht: z. E. die Oberstimme cadenzirte ins C, und der Baß hätte anstatt der Octave vom C, die Terze von unten, als A, As, oder die falsche Quinte Fis, nachdem es die Tonart erfordert, s. Tab. XXII. Fig. 55. Hier thut es nun eine sehr gute Wirkung, wenn die hier erwähnten Noten: A, As, Fis, mit dem Violoncell markiert, und etwas starker als die vorhergehenden Noten angegeben werden. Wenn es aber in einem Stücke, besonders in einem Adagio, zur Hauptcadenz geht; so kann der Violoncellist mit den vorhergehenden zwo, drey, oder vier Noten, auf gleiche Weise verfahren, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf dieselbe zu lenken; s. Tab. XXII. Fig. 56.

8. §.

Bey Ligaturen oder gebundenen Noten, kann er die zweyte, worüber mehrentheils die Secunde und Quarte gesetzet wird, durch die Verstärkung des Tones wachsen lassen, doch darf er den Bogen nicht dabey rücken.

[217]
9. §.

Wenn in einem Presto, welches mit vieler Lebhaftigkeit gespielet werden muß, verschiedene Achttheile, oder sonst kurze Noten, auf einerley Tone vorkommen, so kann er die erste im Tacte durch einen Druck mit dem Bogen markiren.

10. §.

Punctirte Noten muß er allezeit ernsthafter und schwerer mit dem Bogen spielen, als der Violinist: die folgenden doppeltgeschwänzten hingegen, müssen ganz kurz und scharf vorgetragen werden; es sey im geschwinden oder langsamen Zeitmaaße.

11. §.

Wenn an einem Violoncell Bände[WS 4] sind, wie bey der Viola da Gamba üblich ist: so muß der Violoncellist, bey denen mit bezeichneten Tönen, die Seyten, mit den Fingern, ein wenig über die Bände hinaus, und zwar etwas stärker niederdrücken; um solche so viel höher zu greifen, als es ihr Verhalt, gegen die mit Kreuzen bezeichneten Töne erfodert, nämlich um ein Komma.

12. §.

Das Solospielen ist aus diesem Instrumente eben nicht eine so gar leichte Sache. Wer sich hierinne hervorthun will, der muß von der Natur mit solchen Fingern versehen seyn, die lang sind, und starke Nerven haben, um weit aus einander greifen zu können. Wenn sich aber diese nothwendigen Eigenschaften, nebst einer guten Anweisung zugleich beysammen finden; so kann, aus diesem Instrumente, sehr viel Schönes hervorgebracht werden. Ich habe selbst einige große Meister gehöret, die auf diesem Instrumente bey nahe Wunder gethan haben. Wer den Violoncell als ein Liebhaber ausübet, dem steht es mit Rechte frey, dasjenige am meisten darauf zu treiben, was ihm das meiste Vergnügen machet: wer aber sein Hauptwerk davon zu machen gedenket, der thut wohl, wenn er sich vor allen Dingen erst bemühet ein guter Accompagnist zu werden: denn dadurch wird er bey der Musik nützlicher und brauchbarer seyn. Wollte er aber, ehe er noch einen Ripienbaß recht auszuführen wüßte, so gleich zum Solospielen eilen, und vielleicht deswegen sein Instrument so schwach beziehen, daß man ihn bey dem Accompagnement nicht hören könnte; so würde ihm die Musik wenig Dank schuldig seyn. Er würde vielmehr von einem und dem andern Liebhaber der Musik, der sich so wohl im Solospielen als Accompagniren hervor thut, beschämet werden. [218] Das gute Accompagnement ist das vornehmste, so von diesem Instrumente eigentlich erfodert wird. Wenn nicht das Accompagniren und Solospielen in gleichem Grade der Vortrefflichkeit stehen; so thut ein guter Accompagnist bey einem Orchester mehr Dienste, als ein mittelmäßiger Solospieler. Die Kunst wohl zu begleiten aber, läßt sich weder für sich allein, noch auch bloß in großen Musiken erlernen. Wer sich darinne recht fest setzen will, muß viele geschikte Leute insbesondere accompagniren: und wenn er sich nicht verdrüßen läßt, bisweilen Erinnerungen anzunehmen; so wird sein daraus zu hoffender Vortheil desto größer seyn. Denn es wird doch kein Meister gebohren: sondern es muß immer einer von dem andern lernen.




Des XVII. Hauptstücks
V. Abschnitt.
Von dem Contraviolonisten insbesondere.


1. §.

Mit dem großen Violon geht es, wie mit der Bratsche. Er wird ebenfalls von Vielen, nicht in dem Werthe, und von der Nothwendigkeit gehalten, welche er doch, wenn er anders gut gespielet wird, in einer großen Musik verdienet. Es kann seyn, daß die meisten, welche zu diesem Instrumente gebrauchet werden, vielleicht nicht das gehörige Talent haben, sich auf andern Instrumenten die sowohl Fertigkeit als Geschmack erfodern, hervor zu thun. Indessen bleibt es doch eine ausgemachte Sache, daß der Contraviolonist, sollte er auch den feinen Geschmack des Spielens nicht so gar nöthig haben, dennoch die Harmonie verstehen, und kein schlechter Musikus seyn muß. Denn er ist nebst dem Violoncellisten gleichsam das Gleichgewicht, um das Zeitmaaß, in einer [219] großen Musik, besonders in einem Orchester, wo einer den andern nicht allezeit sehen, noch recht hören kann, zu erhalten.

2. §.

Hierzu wird eine besondere Deutlichkeit im Spielen erfodert; welche aber die wenigsten auf diesem Instrumente besitzen. Vieles kömmt dabey auf ein gutes Instrument an; Vieles aber auch auf den Spieler. Ist das Instrument allzugroß, oder allzustark bezogen, so klingt es undeutlich, und ist dem Gehöre nicht vernehmlich. Weis der Spieler mit dem Bogenstriche nicht so, wie es das Instrument erfodert, umzugehen; so bleibt derselbe Fehler.

3. §.

Das Instrument an sich, thut bessere Wirkung, wenn es von mittelmäßiger Größe, auch nicht mit fünf, sondern nur mit vier Seyten bezogen ist. Denn die fünfte Seyte müßte, wenn sie mit den andern in rechtem Verhalte stehen sollte, schwächer als die vierte seyn; und würde folglich einen viel dünnern Ton, als die andern, von sich geben. Solches würde aber nicht nur bey diesem Instrumente schädlich seyn; sondern auch auf dem Violoncell und der Violine, im Fall man solche mit fünf Seyten beziehen wollte. Der sogenannte deutsche Violon von fünf bis sechs Seyten, ist also mit Recht abgeschafft worden. Sind bey einer Musik zweene Contraviolone nöthig; so kann der zweyte etwas größer, als der erste seyn: und was demselben an der Deutlichkeit abgeht, ersetzet er alsdenn an der Gravität.

4. §.

Eine große Hinderung an der Deutlichkeit machet es, wenn auf dem Griffbrete keine Bände sind. Einige halten zwar dieses für einen Ueberfluß, und wohl gar für schädlich. Allein diese falsche Meynung wird durch so viele geschikte Leute, welche mit Bänden alles nur mögliche auf diesem Instrumente rein und deutlich heraus bringen, sattsam widerleget. Die unumgängliche Nothwendigkeit, daß auf diesem Instrumente, wenn es anders deutlich klingen soll, Bände seyn müssen, ist ganz leicht zu erweisen. Man weis, daß eine kurze und dünne Seyte, wenn sie straff gespannet ist, die Vibration, oder den Schwung viel schneller und enger machet, als eine lange und dicke Seyte. Drücket man nun eine lange und dicke Seyte, die nicht so straff als eine kurze gespannet werden kann, auf das Griffbret; so schlägt die Seyte, weil ihre Zitterung einen weitern Umfang einnimmt, unterwärts auf das Holz. [220] Dieses hemmet nun nicht allein die Vibration; sondern verursachet auch noch über dieses, daß die Seyte nachsinget, und noch einen Nebenton hören läßt, und also der Ton dumpfich und undeutlich wird. Die Seyten liegen zwar, vermöge des Steges und Sattels, auf dem Violon schon höher als auf dem Violoncell, damit der Rückschlag der Seyten das Griffbret nicht berühren soll: allein dieses ist alsdenn, wenn die Seyten mit den Fingern niedergedrückt werden, noch nicht hinlänglich. Sind aber Bände auf dem Griffbrete, so wird diese Hinderniß gehoben. Die Seyten werden alsdenn, durch das Band, mehr in die Höhe gehalten, und können also ihre Vibration ungehindert machen, und folglich den natürlichen Ton, der im Instrumente liegt, von sich geben. Die Bände geben auch noch diesen Vortheil, daß man die Töne reiner als ohne dieselben greifen kann, und daß die Töne, bey welchen man, um sie anzugeben, die Finger aufsetzen muß, mit den bloßen Seyten im Klange mehr Aehnlichkeit behalten. Wollte man hierwider einwenden, daß die Bände wegen der Subsemitone, die man alsdenn nicht unterscheiden könnte, hinderlich wären: so dienet zur Antwort, daß solches auf dem Contraviolon nicht so schädlich als auf dem Violoncell ist; weil man den Unterschied, so sich zwischen denen mit Kreuz oder bezeichneten Tönen befindet, in der äußersten Tiefe, nicht so, wie bey den hohen Tönen auf andern Instrumenten, bemerket.

5. §.

Der Bogenstrich muß auf diesem Instrumente ohngefähr gegen sechs Finger breit vom Stege abwärts, und sehr kurz geführet, und wenn es die Zeit leidet von der Seyte abgesetzt werden: damit die langen und dicken Seyten ihren gehörigen Schwung machen können. Er muß auch mehrentheils mit dem untersten Theile, bis in die Mitte des Bogens, und mit einem Rucke gemachet, nicht aber hin und her gesäget werden: ausgenommen in ganz traurigen Stücken; allwo der Bogen zwar kurz, doch aber nicht mit solcher Hastigkeit gebrauchet wird. Die Spitze des Bogens thut überhaupt, außer dem Piano, wenig Wirkung. Wenn eine Note besonders markiret werden soll; muß solches mit dem Bogen rückwärts, von der linken zur rechten Hand geschehen: weil der Bogen alsdenn, um einen Nachdruck zu geben, mehr Kraft hat. Doch will ich die oben gedachten kurzen Bogenstriche, welche wegen der Deutlichkeit des Tones erfodert werden, nur bey Noten welche Pracht und Lebhaftigkeit erfodern, verstanden wissen. Ich nehme aber hievon aus: [221] die langen Noten, als halbe und ganze Tacte, welche öfters in geschwinden Stücken mit untermischet werden; es mag ein Hauptsatz, oder solche Noten seyn, welche einen besondern Nachdruck verlangen; ferner die geschleiften Noten, die entweder einen schmeichelnden oder traurigen Affect ausdrücken sollen, und welche der Contraviolonist eben so unterhalten und gelassen, als der Violoncellist, ausdrücken muß.

6. §.

Der Violonist muß sich einer guten und bequemen Applicatur, oder Uebersetzung der Finger befleißigen; damit er das, was in die Höhe gesetzt ist, so, wie der Violoncellist mitspielen kann, um die melodiösen Bässe nicht zu verstümmeln; besonders den Unison, als welcher in eben der Lage, wie er gesetzet ist, auf einem jeden Instrumente, und folglich auch auf dem Contraviolon, gespielet werden muß. Man besehe deswegen das Exempel bey dem 5. §. im Abschnitte von dem Violoncellisten, Tab. XXII. Fig. 53. und 54. Sollte ein dergleichen Baß etwa höher gesetzt seyn, als der Violonist mit seinem Instrumente kommen könnte; wiewohl er schwerlich bis über das eingestrichene G gehen wird, welches doch einige brafe Violonisten rein und deutlich angeben und brauchen können: so muß der Violonist, in solchem Falle, lieber die ganze Stelle überhaupt eine Octave tiefer spielen, als die Melodie auf eine ungeschikte Art zertrennen.

7. §.

Wenn in einem Basse solche Passagien vorkämen, die der Violonist, wegen großer Geschwindigkeit, deutlich zu spielen nicht im Stande wäre; so kann er von einer jeden Figur, sie mag zwey- oder dreymal geschwänzet seyn, die erste, dritte, oder letzte Note spielen. Er muß sich nur allezeit nach den Hauptnoten, so eine Baßmelodie ausmachen, zu richten suchen. Folgende Exempel geben darzu Anleitung, s. Tab. XXIII. Fig. 1, 2, und 3. Außer dergleichen, in großer Geschwindigkeit nicht einem Jeden bequemen Passagien aber, ist der Violonist verbunden alles mitzuspielen. Wollte er von vier auf einerley Tone vorkommenden Achttheilen, wie einige zuweilen thun, zumal wenn sie ein Stück accompagniren müssen, das sie nicht selbst gesetzet haben, immer das erste anschlagen, und drey vorbey gehen lassen; so weis ich nicht wie er der Nachrede einer Faulheit oder Tücke entgehen könnte.


[222] Ueberhaupt muß der Vortrag des Contraviolonisten ernsthafter seyn, als der übrigen Bässe ihrer. Die kleinen feinen Auszierungen werden zwar von ihm nicht gefodert: dagegen aber muß er sich beständig bemühen, dem, was die andern spielen, einen Nachdruck und Gewicht zu geben. Er muß das Piano und Forte zu rechter Zeit ausdrücken; das Zeitmaaß genau beobachten; weder eilen, noch zögern; seine Noten fest, sicher, und deutlich vortragen; sich vor dem Kratzen des Bogens in Acht nehmen, welches absonderlich bey diesem Instrumente ein häßlicher Uebelstand ist; und wenn er höret, daß bald ernsthaft, bald scherzhaft, bald schmeichelnd, bald traurig, bald lustig oder frech, und wie es auch seyn mag, gespielet wird, muß er allezeit auch das Seinige mit beyzutragen bemühet seyn, nicht aber aus Kaltsinnigkeit, diejenigen Wirkungen, welche man im Ganzen hervorzubringen suchet, verhindern. Allezeit, absonderlich aber in Concerten, muß er richtig pausiren, damit er, wenn die Ritornelle eintreten, zu gehöriger Zeit mit dem Forte mit Nachdruck einfallen könne, und nicht, wie einige thun, erst einige Noten vorbey gehen lasse. Was übrigens in diesem ganzen Hauptstücke, so wohl insbesondere als überhaupt abgehandelt wird, davon kann er sich noch Vieles, welches hier zu wiederholen der Raum nicht leidet, zu Nutzen machen.




[223]

Des XVII. Hauptstücks.
VI. Abschnitt.

Von dem Clavieristen insbesondere.


1. §.

Nicht alle, die den Generalbaß verstehen, sind auch deswegen zugleich gute Accompagnisten. Eines muß durch Regeln; das andere aus Erfahrung, und endlich aus eigener Empfindung erlernet werden.

2. §.

In das erstere mich einzulassen, ist meine Absicht nicht: weil es darinne an Anweisung nicht fehlet. Wegen des letztern aber, will ich, weil es zu meinem Zwecke gehöret, mit Erlaubniß der Herren Clavieristen, nur in der Kürze etwas weniges erinnern; das übrige aber, einem jeden geschikten und erfahrnen Clavierspieler, zum weitern Nachdenken anheim stellen.

3. §.

Es ist, wie oben gesaget worden, möglich, daß einer der die Wissenschaft des Generalbasses aus dem Grunde inne hat, dennoch ein schlechter Accompagnist seyn könne. Der Generalbaß erfodert, daß die Stimmen, welche der Spieler über den Baß, aus dem Stegreife, und nach Anleitung der Signaturen hinzusetzet, nach den Regeln, und als wenn solche auf dem Papiere geschrieben stünden, gespielet werden müssen. Die Kunst zu begleiten, erfodert nicht nur dieses, sondern auch noch viel ein mehrers.

4. §.

Die allgemeine Regel vom Generalbaß ist, daß man allezeit vierstimmig spiele: wenn man aber recht gut accompagniren will, thut es oft bessere Wirkung, wenn man sich nicht so genau hieran bindet; wenn man vielmehr einige Stimmen wegläßt, oder wohl gar den Baß mit der rechten [224] Hand, durch eine Octave höher, verdoppelt. Denn so wenig ein Componist zu allen Melodieen, ein drey- vier- oder fünfstimmiges Accompagnement der Instrumente sehen kann noch muß; wofern dieselben nicht unverständlich, oder verdunkelt werden sollen: eben so wenig leidet auch eine jede Melodie ein beständiges vollstimmiges Accompagnement auf dem Claviere: weswegen ein Accompagnist sich mehr nach der Sache selbst, als nach den allgemeinen Regeln des Generalbasses richten muß.

5. §.

Ein vollstimmiges und mit vielen Instrumenten begleitetes Stück, erfodert auch ein vollstimmiges und starkes Accompagnement. Ein mit wenig Instrumenten besetztes Concert, verlanget in diesem Stücke schon einige Mäßigung; besonders unter den concertirenden Stellen. Man muß alsdenn Acht haben, ob dieselben Stellen nur mit dem Basse allein, oder auch mit den andern Instrumenten begleitet werden; ob die concertirende Stimme schwach oder stark, in der Tiefe oder Höhe spiele; ob sie aneinander hangende und singende, oder springende Noten, oder Passagien auszuführen habe; ob die Passagien gelassen oder feurig gespielet werden; ob dieselben consonirend sind , oder ob sie, um in eine fremde Tonart auszuweichen, dissoniren; ob der Baß eine langsame oder geschwinde Bewegung darunter hat; ob die geschwinden Noten des Basses stufenweise oder springend gesetzet sind; oder ob sie zu vieren oder achten auf einerley Tone vorkommen; ob Pausen, oder lange und kurze Noten unter einander vermischet sind, ob das Stück ein Allegretto, Allegro, oder Presto ist, davon das erste, bey Instrumentalsachen, ernsthaft, das andere lebhaft, das dritte aber flüchtig und tändelnd gespielet werden muß; oder ob es ein Adagio assai, Grave, Mesto, Cantabile, Arioso, Andante, Larghetto, Siciliano, Spiritoso, u. s. w. ist, von denen ein jedes, so wie in der Hauptstimme, also auch im Accompagnement einen besondern Vortrag erfodert. Wird solcher von einem jeden recht beobachtet: so thut auch das Stück bey den Zuhörern die gesuchte Wirkung.

6. §.

Bey einem Trio muß der Clavierist sich nach den Instrumenten, die er zu begleiten hat, richten; ob solche schwach oder stark sind; ob bey dem Claviere ein Violoncell ist, oder nicht; ob die Composition galant oder gearbeitet ist; ob der Clavicymbal stark oder schwach, auf- oder zugedecket ist; und ob die Zuhörer nahe oder entfernet sind. Denn der Clavicymbal rauschet und klingt zwar stark in der Nähe; in der Ferne [225] aber wird er nicht so stark, als andre Instrumente gehöret. Wenn der Clavierist einen Violoncell neben sich hat, und schwache Instrumente begleitet, kann er mit der rechten Hand einige Mäßigung gebrauchen; besonders bey einer galanten Composition, und noch mehr wenn eine Stimme pausiret, und die andre allein spielet: bey starken Instrumenten aber, und wenn das Stück sehr harmoniös und gearbeitet ist, auch wenn beyde Stimmen zugleich spielen, kann er viel vollstimmiger greifen.

7. §.

Bey einem Solo wird eigentlich die größte Discretion oder Bescheidenheit erfodert: und kömmt allda, wenn der Solospieler seine Sache gelassen, ohne Sorge, und mit einer Zufriedenheit spielen soll, sehr viel auf den Accompagnisten an; weil dieser dem Solospieler so wohl einen Muth machen, als ihm denselben benehmen kann. Wenn der Accompagnist im Zeitmaaße nicht recht sicher ist, und sich entweder bey dem Tempo rubato, und durch das Verziehen der Manieren, welches eine Schönheit im Spielen ist, zum Zögern, oder, wenn anstatt einer Pause die folgende Note vorausgenommen wird, zum Eilen verleiten läßt; kann er den Solospieler nicht nur aus seinem Concepte bringen; sondern er versetzet ihn auch in ein Mistrauen gegen ihn, den Accompagnisten und macht ihn furchtsam, weiter etwas mit Verwegenheit und Freyheit zu unternehmen. Auf gleiche Art ist der Accompagnist zu tadeln, wenn er mit der rechten Hand zu viel Bewegung machet; oder wenn er mit derselben, am unrechten Orte, melodiös spielet, oder harpeggiret, oder sonst Sachen, die der Hauptstimme entgegen sind, mit einmenget; oder wenn er das Piano und Forte mit dem Solospieler nicht zu gleicher Zeit ausdrücket; sondern alles ohne Affect, und in einerley Stärke spielet.

8. §.

Was hier von der Begleitung der Instrumentalstücke gesaget worden ist, kann größtentheils auch auf die Begleitung der Singstücke angewendet werden.

9. §.

Das stark und schwach Spielen kann zwar auf dem Clavicymbal oder Flügel, besonders wenn derselbe nur ein Clavier hat, nicht so ab- und zunemend ausgedrücket werden, als auf dem Instrumente, welches man Pianoforte nennet, allwo die Seyten nicht mit Federn gerissen, sondern durch Hämmer angeschlagen werden: dessen ungeachtet aber, kömmt doch, bey dem Flügel, viel auf die Art des Spielens an. Man kann [226] sich deswegen auf demselben, bey dem Piano, so wohl Mäßigung des Anschlages, als durch die Verminderung der Stimmen; und bey dem Forte, durch stärkeres Schlagen, und durch die Vermehrung der Stimmen in beyden Händen, helfen.

10. §.

Verschiedene Noten, so einen Nachdruck erfodern, muß der Accompagnist mit mehr Lebhaftigkeit und Stärke anzuschlagen, und von andern Noten, welche dieses nicht verlangen, zu unterscheiden wissen. Hierher gehören die langen Noten, so unter geschwindere vermischet sind; ferner die Noten mit welchen ein Hauptsatz eintritt; und denn hauptsächlich die Dissonanzen. Die langen Noten, zu welchen die Octave tiefer zugleich mit angeschlagen werden kann, unterbrechen die Lebhaftigkeit der Melodie. Das Thema erfodert allezeit eine Erhebung in der Stärke des Tones, um seinen Eintritt desto deutlicher zu machen: und die Dissonanzen dienen eigentlich zum Mittel, die unterschiedenen Leidenschaften abzuwechseln.

11. §.

Es kommen zwar im Accompagnement öfters noch andere lange Noten vor, so eigentlich keinen besondern Ausdruck erfodern; sondern nur die Melodie begleiten, oder in Ruhe setzen. Von diesen ist hier die Rede nicht. Es kömmt hier vielmehr auf diejenigen Noten an, welche eine geschwinde und heftige Bewegung, so wohl durch Consonanzen, als Dissonanzen unterbrechen; doch aber in der Folge gleich wieder durch andere geschwindere Noten abgewechselt werden. Ferner gehören hierher die Noten, vermittelst welcher der Baß die Cadenz der Hauptstimme unterbricht, um einen sogenannten Betrug (inganno) zu begehen; weiter die Noten so zur Hauptcadenz vorbereiten; ferner diejenigen Noten, welche durch ein Kreuz, oder Wiederherstellungszeichen, um einen kleinen halben Ton, erhöhet werden, und die gemeiniglich die kleine Quinte und Sexte über sich haben; und denn ferner die, welche durch das runde erniedriget werden; wie bereits im vorigen Abschnitte dem Violoncellisten gesagt worden ist. Aus dem nun was hier angeführet worden, können noch mehr andere dergleichen Vorfälle entdecket werden: wenn man nur ein jedes Stück in seinem Zusammenhange, und mit rechter Aufmerksamkeit betrachtet; und das Absehen der Musik, welche die Leidenschaften beständig erregen, und wieder stillen soll, nicht aus dem Gedächtnisse kommen läßt.


[227]
12. §.

Eben diese Erregung der abwechselnden Leidenschaften, ist auch die Ursache, warum die Dissonanzen überhaupt stärker, als die Consonanzen angeschlagen werden müssen. Die Consonanzen setzen das Gemüth in eine vollkommene Ruhe und Zufriedenheit: die Dissonanzen hingegen erwecken im Gemüthe einen Verdruß. Wie nun ein niemals unterbrochenes Vergnügen, es sey von welcher Art es wolle, unsere Empfindungskräfte dermaaßen schwächen und erschöpfen würde, daß das Vergnügen endlich aufhören würde ein Vergnügen zu seyn: also würden auch lauter Consonanzen, in einer lange auf einander folgenden Reihe, dem Gehöre endlich einen Ekel und Verdruß verursachen, wenn sie nicht dann und wann mit Ubelklängen, dergleichen die Dissonanzen sind, vermischet würden. Jemehr nun eine Dissonanz im Spielen von den andern Noten unterschieden, und empfindlich gemacht wird; iemehr greift sie das Gehör an. Je verdrüßlicher aber die Sache ist, welche unser Vergnügen stöhret; ie angenehmer kömmt uns das darauf folgende Vergnügen vor. Je härter also der Verhalt der Dissonanzen ist; je gefälliger ist ihre Auflösung. Ohne diese Vermischung des Wohlklanges und des Ubelklanges, würde in der Musik kein Mittel übrig seyn, die verschiedenen Leidenschaften augenbliklich zu erregen, und augenbliklich wieder zu stillen.

13. §.

Wie aber der Verdruß nicht immer von einerley Heftigkeit seyn kann; also haben auch von den Dissonanzen, einige mehr, einige weniger Wirkung; und muß also davon immer eine stärker, als die andere angeschlagen werden. Die None, die None und Quarte, die None und Septime, die Quinte und Quarte, sind dem Gehöre nicht so empfindlich, als die Quinte mit der großen Sexte, die falsche Quinte mit der kleinen Sexte, die falsche Quinte mit der großen Sexte, die kleine Septime mit der kleinen oder großen Terze, die große Septime, die mangelhafte Septime, die Septime mit der Secunde und Quarte, die übermäßige Sexte, die große Secunde mit der Quarte, die kleine Secunde mit der Quarte, die große und die übermäßige Secunde mit der übermäßigen Quarte, die kleine Terze mit der übermäßigen Quarte. Die erstern erfodern also deswegen bey weitem nicht den Nachdruck im Accompagnement, als die letztern. Unter diesen letztern aber, ist wieder noch ein Unterschied zu machen. Die kleine Secunde mit der Quarte, die große und die übermäßige Secunde mit der übermäßigen Quarte, [228] die kleine Terze mit der übermäßigen Quarte, die falsche Quinte mit der großen Sexte, die übermäßige Sexte, die mangelhafte Septime, die Septime mit der Secunde und Quarte, erfordern noch mehr Nachdruck, als die übrigen; und müssen deswegen von dem Accompagnisten, vermittelst eines stärkern Anschlags, noch kräftiger vorgetragen werden.

14. §.

Um die Sache noch deutlicher zu machen, will ich über die vorerwähnten Dissonanzen, und über den Unterschied ihres Ausdrucks, in Ansehung der Mäßigung und Verstärkung, ein Exempel beyfügen, s. Tab. XXIV, Fig. 1; woraus man deutlich wird ersehen können, daß das Piano und Forte, um die Affecten gehörig auszudrücken, bey der Ausführung, eines der nöthigsten Dinge sey. Man spiele dieses Exempel etliche mal, so, wie es mit dem Piano, Pianissimo, Mezzo forte, Forte, und Fortissimo bezeichnet ist:[1] hernach wiederhole man es in einerley Stärke des Tones; und gebe dabey, sowohl auf die Verschiedenheit der Ziffern, als auch auf die eigene Empfindung wohl Achtung. Ich bin versichert, wenn man sich nur erst ein wenig, ohne Vorurtheil, an diese Art zu accompagniren gewöhnet hat; wenn man die verschiedenen Wirkungen der Dissonanzen erkennen lernet; wenn man auf die Wiederholungen der Gedanken, auf die haltenden Noten, welche die Lebhaftigkeit unterbrechen, auf die Betrugsgänge, so öfters bey den Cadenzen vorkommen, und auf die Noten, welche zu einer fremden Tonart führen, und die durch das Kreuz oder eckigte erhöhet, oder aber durch das runde erniedriget werden, genau Acht hat; ich bin versichert, sage ich, daß man alsdenn das Piano, Mezzo forte, Forte und Fortissimo, ohne daß es dazu geschrieben ist, sehr leicht wird errathen können. Ich theile dem oben gesagten zu Folge, die Dissonanzen, in Ansehung ihrer Wirkungen, und des darnach einzurichtenden Anschlags, um mehrerer Deutlichkeit willen, in drey Classen ein. Die erste bezeichne ich mit mezzo forte; die zweyte mit forte; und die dritte mit fortissimo. Zur ersten Classe mezzo forte kann man rechnen:

Die Secunde mit der Quarte,
Die Quinte mit der großen Sexte,
Die große Sexte mit der kleinen Terze,
Die kleine Septime mit der kleinen Terze,
Die große Septime.

[229] Zur zweyten Classe forte gehören:

Die Secunde mit der übermäßigen Quarte,
Die falsche Quinte mit der kleinen Sexte.

Der dritten Classe fortissimo zähle man zu:

Die übermäßige Secunde mit der übermäßigen Quarte,
Die kleine Terze mit der übermäßigen Quarte,
Die falsche Quinte mit der großen Sexte,
Die übermäßige Sexte,
Die mangelhafte Septime,
Die große Septime mit der Secunde und Quarte.

Ich habe zu diesem Beyspiele ein Adagio erwählet; denn dieses Zeitmaaß ist, zu genauer und deutlicher Ausdrückung der Verschiedenheit der Dissonanzen, das bequemste. Ich setze dabey voraus, daß man die consonirenden Accorde des Adagio zu einem Solo nicht in der äußersten Stärke, sondern überhaupt mezzo piano accompagniren müsse, damit man den Vortheil behalte, wo es nöthig ist, schwächer und stärker spielen zu können. Wenn aber an einigen Orten piano oder pianissimo dabey gesetzet ist; so müssen alsdenn, die darinne vorkommenden Dissonanzen, mit einer proportionirlichen Stärke ausgedrücket werden; dergestalt, daß beym Pianissimo die Dissonanzen aus der dritten Classe, nur die Stärke von der ersten; und beym Piano die Stärke von der zweyten Classe bekommen: die übrigen aber nach diesem Verhältniß auch gemäßiget werden: widrigenfalls würde der Abfall, wenn solcher mit einer allzu großen Heftigkeit geschähe, dem Gehöre mehr Verdruß, als Vergnügen erwecken. Man will durch diese Art zu accompagniren, eine Nachahmung der Menschenstimme, und solcher Instrumente, welche das Wachsen und Verlieren des Tones in ihrer Gewalt haben, anstellen. Es muß aber freylich auch, bey dieser Art mit dem Clavicymbal zu accompagniren, die gute Beurtheilungskraft, und eine feine Empfindung der Seele, ein vieles wirken. Wem diese beyden Stücke fehlen, der wird es darinne nicht weit bringen: es sey denn, daß er sich durch ein ernstliches Bemühen, und durch viele Erfahrung dazu fähig machte: weil man durch Fleiß sich Erkenntniß zuwege bringen; durch Erkenntniß aber der Natur zu Hülfe kommen kann.


[230]
15. §.

Noch ist zu bemerken, daß wenn mehrere Dissonanzen von verschiedener Art auf einander[WS 5] folgen, und Dissonanzen in Dissonanzen aufgelöset werden; man auch den Ausdruck durch Verstärkung des Tones, und Vermehrung der Stimmen, immer mehr und mehr wachsen, und zunehmen lassen müsse. Daß aber die Quinte und Quarte, die None und Septime, die None und Quarte, und die Septime, wenn sie mit der Sexte und Quarte abwechselt, oder wenn sie über einer durchgehenden Note steht, keinen besondern Ausdruck erfodern; wird man nicht allein aus dem vorhabenden Exempel, sondern auch, und zwar noch vielmehr, durch die eigene Erfahrung und Empfindung sattsam erkennen können. Denn die Dissonanzen sind, wie oben schon gesaget worden, nicht alle von gleicher Erheblichkeit: sondern sie müssen wie das Salz und Gewürz an den Speisen betrachtet werden; da die Zunge von der einen Art immer mehr Wirkung empfindet, als von der andern.

16. §.

Sollen aber die Dissonanzen ihre gehörige Wirkung thun, daß nämlich die darauf folgenden Consonanzen desto angenehmer und gefälliger klingen; so müssen sie nicht nur, wie bisher gelehret worden, eine vor der andern, nachdem es ihre Art erfodert; sondern auch überhaupt gegen die Consonanzen stärker angeschlagen werden. Und wie ein jeder consonirender Accord auf dreyerley Art genommen werden kann; nämlich, daß entweder die Octave, oder die Terze, oder die Quinte oder Sexte in der Oberstimme liegen, und jedesmal eine andere Wirkung thun: so hat es auch gleiche Bewandtniß mit den dissonirenden Accorden. Man versuche es z. E. mit der kleinen Terze, übermäßigen Quarte, und Sexte, mit dem Grundtone zugleich angeschlagen; und nehme einmal die Terze, das anderemal die Quarte, das drittemal die Sexte in die Oberstimme; oder man verkehre die Septime, welche zwo von den Oberstimmen gegen einander machen, in die Secunde; so wird man finden, daß die dissonirenden Klänge, wenn sie nahe bey einander liegen, viel härter klingen, als wenn sie weit aus einander liegen. Es kömmt demnach hierinne auf die gute Beurtheilungskraft des Accompagnisten an; daß er die Klänge so zu versetzen wisse, wie es jedesmal der Sache Beschaffenheit erfodert.

17. §.

Auf einem Clavicymbal mit einem Claviere, kann das Piano durch einen gemäßigten Anschlag, und durch die Verminderung der Stimmen; [231] das Mezzo forte durch Verdoppelung der Octaven im Basse; das Forte durch eben dieses, und wenn man noch in der linken Hand einige zum Accoorde gehörige Consonanzen mitnimmt; das Fortissimo aber, durch geschwinde Brechungen der Accorde von unten herauf, durch eben diese Verdoppelung der Octaven, und der Consonanzen, in der linken Hand, und durch einen heftigern und stärkern Anschlag, hervor gebracht werden. Auf einem Clavicymbal mit zweyen Clavieren, hat man über dieses noch den Vortheil, zum Pianissimo sich des obersten Claviers bedienen zu können. Auf einem Pianoforte aber, kann alles erfoderliche am allerbequemsten bewerkstelliget werden: denn dieses Instrument hat vor allem, was man Clavier nennet, die zum guten Accompagnement nöthigen Eigenschaften am meisten in sich: und kömmt dabey blos auf den Spieler und seine Beurtheilung an. Auf einem guten Clavichord hat es zwar eben dieselbe Beschaffenheit im Spielen, nicht aber in Ansehung der Wirkung; weil das Fortissimo mangelt.

18. §.

Wie auf einem jeden Instrumente der Ton auf verschiedene Art hervor gebracht werden kann; so verhält es sich auch gleichergestalt mit dem Clavicymbal: ungeachtet man glauben sollte, daß es bey diesem Instrumente nicht auf den Spieler, sondern nur auf das Instrument allein ankäme. Dennoch giebt es die Erfahrung, daß wenn das Instrument bald von dem einen, bald von den andern gespielet wird, der Ton von dem einem besser als von dem andern heraus gebracht wird. Die Ursache davon muß folglich auf den Anschlag, den ein jeder verschieden hat, ankommen: ob derselbe, bey einem jeden Finger mit gleicher Kraft und Nachdruck, und mit dem rechten Gewichte geschieht; ob man den Seyten die gehörige Zeit gönnet, daß sie ihren Schwung ungehindert machen können; oder ob man die Finger mit allzugroßer Gelassenheit niederdrücket, und ihnen nicht, durch einen Schneller, eine gewisse Kraft giebt, daß die Seyten, um den Ton länger auszuhalten , in eine langer anhaltende Zitterung versetzet werden können; um den Fehler, so dieses Instrument von Natur hat, daß sich die Töne nicht, wie auf andern Instrumenten, an einander verbinden, so viel als möglich ist zu vermeiden. Es kömmt auch viel darauf an, ob man mit einem Finger stärker als mit dem andern stößt. Dieses kann daraus folgen, wenn man sich gewöhnet hat, einige Finger einwärts zu beugen, andere aber gerade auszustrecken: welches nicht nur eine ungleiche Stärke im Spielen verursachet; sondern [232] auch hinderlich ist, geschwinde Passagien rund, deutlich und angenehm vorzutragen. Wie es denn bey manchem, wenn er einen Lauf von etlichen Noten stufenweis zu machen hat, nicht anders klingt, als wenn er über die Noten wegstolperte. Gewöhnt man sich aber gleich Anfangs, alle Finger, einen so weit als den andern, einwärts zu beugen; so wird man diesen Fehler nicht leicht begehen. Man muß aber bey Ausführung der laufenden Noten, die Finger nicht so gleich wieder aufheben; sondern die Spitzen derselben vielmehr, auf dem vordersten Theile des Tasts hin, nach sich zurücke ziehen, bis sie vom Taste abgleiten. Auf diese Art werden die laufenden Passagien am deutlichsten herausgebracht. Ich berufe mich hierbey auf das Exempel eines der allergrößten Clavierspieler, der es so ausübte, und lehrete.

19. §.

Wenn die Hauptstimme[WS 6] in einem Adagio vor der Terze und Sexte bisweilen vorhaltende Noten machet, da dann die vor der Terze, zur Quarte, und die vor der Sexte, zur Septime wird, s. Tab. XXIII. Fig. 4; so thut es keine gute Wirkung, wenn man zu dem Vorschlage der die Quarte macht, die Terze, und zu dem der die Septime ausmachet, die Sexte zugleich anschlägt. Der Accompagnist thut also besser, wenn er nur das, was sonst noch zum Accorde gehöret, anschlägt; die Terze oder Sexte aber erst bey der Auflösung des Vorschlags hören läßt: sonst entstehen daraus solche Dissonanzen, die weder eine Vorbereitung noch Auflösung bekommen, und dem Gehöre folglich sehr unangenehm fallen. Bey den Vorschlägen so von unten genommen werden, wenn vor der in der Höhe liegenden Terze die None vorgehalten wird, klingt die zugleich bey dem Vorschlage mit dem Flügel angegebene Terze nicht so übel: wenn nur die zum Accorde der Hauptnote gehörige Terze nicht über, sondern unter der Hauptstimme genommen wird; denn diese wird alsdenn, anstatt der Secunde, gegen den Vorschlag zur Septime von unten.

20. §.

Einem jeden Clavierspieler, der die Verhältnisse der Töne versteht, wird auch zugleich bekannt seyn, daß die Subsemitone, als: D mit dem Kreuz, und E mit dem , u. s. w. um ein Komma unterschieden sind; und folglich, aus Mangel der gebrochenen Tasten, auf diesem Instrumente, einige Ungleichheit im Stimmen, gegen die andern Instrumente, welche diese Töne in ihrem Verhältnisse rein greifen, verursachen: zumal [233] wenn sie das Clavier, mit einem der letztgedachten Instrumente, im Einklange spielet. Weil nun diese Töne nicht allemal können vermieden werden; besonders in denen Tonarten, wo viel und viel Kreuze vorkommen: so thut der Accompagnist wohl, wenn er, so viel als möglich ist, suchet, dieselben entweder in die mittelste oder unterste Stimme zu verstecken; oder, wenn einer davon die kleine Terze ausmachet, ihn gar weg zu lassen. Denn wenn besonders diese kleinen Terzen, in der obersten Octave, mit der Hauptstimme im Einklange angeschlagen werden, klingen sie sehr faul und unvollkommen. Ich verstehe unter diesen kleinen Terzen, hauptsächlich das C, D, und E der zweygestrichenen Octave, wenn vor denselben ein steht; oder kürzer zu sagen das Ces, Des, und Es. Ich rechne aber auch hierher das eingestrichene G und A, und das zweygestrichene D, und E, wenn ein Kreuz davor steht, denn wenn diese letztern große Terzen sind, so schweben sie zu sehr über sich, und sind also zu hoch. Es ist wahr, daß man diesen Unterschied, wenn man entweder allein auf dem Flügel spielt, oder wenn derselbe zu einer starken Musik accompagniret, nicht so deutlich bemerken kann: wenn aber oben gemeldete Töne auf einem andern Instrumente den Einklang berühren, so lassen sie, weil die andern Instrumente diese Töne in ihrem Verhältnisse angeben, da sie hingegen auf dem Claviere temperiret sind, ihren Unterschied mehr als zu wohl hören: und ist also besser sie gar zu vermeiden, als das Gehör zu beleidigen. Wem aber allenfalls das Weglassen nicht gefällt, der nehme diese oben angezeigten kleinen und großen Terzen, so wie ich von den andern Subsemitonen gelehret habe, zum wenigsten in der Tiefe, allwo sie das Gehör noch eher vertragen wird. Der Einklang thut ohne dem zu einem Instrumente nicht so gute Wirkung, als zu einer Singstimme. Uberdem ist auch das Unreine in der Tiefe dem Gehöre nicht so empfindlich als in der Höhe. Wer sich hiervon überzeugen will, der stimme auf einem Claviere des Flügels eine Octave unter oder über sich schwebend; alsdenn stimme er, auf dem andern Claviere, eine Sexte von dem hohen Tone mit dem tiefen ganz rein. Man versuche hierauf den verstimmten Einklang, und sehe, ob derselbe dem Gehöre nicht mehr, als die verstimmte Octave, misfallen wird.

21. §.

Es ist schon von langen Zeiten her die Regel gewesen, daß man beym Spielen des Generalbasses, die Hände nicht allzuweit von einander entfernen, und folglich mit der rechten nicht allzuhoch spielen solle. Diese [234] Regel ist vernünftig und gut; wenn sie nur allezeit beobachtet würde. Denn es thut eine viel bessere Wirkung, wenn die begleitenden Stimmen auf dem Flügel, unter der Hauptstimme, als wenn solche mit der Oberstimme, oder wohl gar über derselben, genommen werden. Wenn die Alten das Accompagnement um eine Octave höher haben wollten; so setzten sie anstatt der Terze, Quarte, Quinte, u. s. w. die Decime, Undecime, und Duodecime, über den Baß. Da aber zwischen diesen Ziffern kein solcher Unterschied zu machen ist, als zwischen der Secunde und None; so kann auch solches von ihnen nicht ganz und gar ohne Ursache geschehen seyn. Aus oben gesagten Ursachen, darf man einen Violoncellisten, wenn er Solo spielet, nicht so, wie einen Violinisten, begleiten. Bey dem erstern muß man mit der rechten Hand alles in der Tiefe spielen: und soferne der Baß, von dem Componisten, aus Unwissenheit etwan zu hoch gesetzet wäre, und die Hauptstimme überstiege; so kann man denselben ebenfalls eine Octave tiefer spielen: damit die Quinten nicht in Quarten verwandelt werden. Bey Begleitung der Violine, welche einen großen Umfang der Töne hat, muß der Accompagnist Achtung geben, ob der Violinist viel in der äußersten Tiefe, oder sehr hoch zu spielen habe: damit er weder die Tiefe übersteige, noch bey der äußersten Höhe zu weit entfernet sey.

22. §.

Wenn der Baß in langsamen Stücken etliche Noten aus einerley Tone zu wiederholen hat, welche mit u. d. gl. beziffert sind, da denn vermuthlich die Hauptstimme die obersten Ziffern in ihrem Gesange hat: so klingt es seht gut, wenn der Accompagnist die obersten Ziffern in der Tiefe spielet, und folglich die Terzen, so beyde Stimmen gegen einander machen, in Sexten verwandelt. Solches wird nicht nur harmoniöser klingen, sondern auch mehr einem Trio als Solo ähnlich werden. Will er aber nur die untersten Ziffern spielen, und die, welche die Hauptstimme hat, gar weg lassen; so ist es noch besser. Wenn er solches bey allen dergleichen Gelegenheiten beobachtet, und im Accompagnement die zweyte Stimme zur obersten, und die oberste zur untersten machet; so wird die Hauptstimme niemals verdunkelt: und der Solospieler bekömmt dadurch seine gehörige Freyheit. Geschieht aber das Gegentheil, so möchte es scheinen, als wollte der Accompagnist das Stück mit dem Solospieler im Unison spielen.

[235]
23. §.

Mit der rechten Hand muß der Accompagnist im Adagio weder harpeggiren, noch melodiös spielen: es wäre denn daß der Solospieler haltende Noten oder Pausen hätte. Die accompagnirenden Stimmen darf er nicht vor dem Basse hervor ragen lassen. In einem Adagio im gemeinen geraden Tacte, kann er zu einem jeden Achttheile mit der rechten Hand anschlagen. In einem Arioso aber, wenn der Baß eine geschwindere Bewegung zu machen hat, sie bestehe aus Achttheilen, Sechzehntheilen oder Triolen, von beyderley Art Noten, klingt es nicht so gut, wenn er zu einer jeden Note mit der rechten Hand anschlägt, als wenn er bey gleichen Noten, eine, und bey Triolen, zwo, vorbey gehen läßt: wenn anders über den durchgehenden Noten keine eigenen Ziffern stehen.

24. §.

Wenn ein Sänger oder Solospieler, im Adagio, eine lange Note im Tone wachsen und wieder abnehmen läßt, und der Baß unter derselben eine Bewegung von verschiedenen Noten zu machen hat: so ist es gut, wenn der Accompagnist ebenfalls, nach Maaßgebung der Hauptstimme, Note vor Note stärker und wieder schwächer anschlägt.

25. §.

Wenn die Hauptstimme, in einem Adagio, durch ein Paar geschwinde punctirte Noten, etwas besonderes auszudrücken, und der Baß solches mit eben dergleichen Noten nachzumachen hat; so muß der Accompagnist dieselben, es mögen Consonanzen oder Dissonanzen seyn, ganz vollstimmig und erhaben anschlagen. Hat aber die Hauptstimme einen traurigen oder schmeichelnden Gesang; so muß der Accompagnist im Anschlage sich mäßigen, die Stimmen vermindern, und also bey allen Fällen sich der Hauptstimme bequemen, und mit derselben alle Leidenschaften, eben so gut als wenn er selbst Solo spielete, zu Herzen nehmen. Wäre von dem Componisten, zum Unglücke, wenig oder gar kein Affect ausgedrücket worden: so kann der Accompagnist dennoch, wechselsweise, einige Noten, nach eigenem Gutbefinden, durch einen stärkern Anschlag erheben, und die folgenden wieder mäßigen. Dieses läßt sich am besten, bey einer Aehnlichkeit oder Wiederholung der Gedanken, anbringen; es geschehe in demselben Tone, oder in der Versetzung, oder, wie bereits gemeldet worden, wenn Dissonanzen vorkommen.

[236]
26. §.

Nachahmungen, so aus laufenden oder melodiösen Gängen bestehen, thun eine bessere Wirkung, wenn sie mit der rechten Hand in der höhern Octave mitgespielet werden, als wenn man sie vollstimmig accompagniret. Auf gleiche Art kann man auch mit dem Unison verfahren.

27. §.

Wenn der Baß seine ordentliche Lage verläßt, und in der Lage vom Tenor etwas zu spielen hat, welches öfters in der Singmusik vorzukommen pfleget; so muß die rechte Hand mit wenig Stimmen, und ganz nahe bey der linken Hand accompagniren: damit das folgende, in der Baßlage, mit desto mehrerer Pracht ausgedrückt werden könne.

28. §.

Wofern, in einem ganz langsamen Stücke, im Basse Bindungen, welche mehrentheils mit Secunde, Quarte und Sexte beziffert sind, vorkommen; und der Accompagnist keinen Violoncell oder ander Baßinstrument neben sich hat; kann derselbe, ohne Nachtheil der Generalbaßregel, die gebundenen Noten, mit den dazu gehörigen Dissonanzen anschlagen: weil der Ton des Clavicymbals sich bald verliert; die Dissonanzen aber, ohne den Grundton, dem Gehöre nach, sich in Consonanzen verwandeln; und folglich die darunter gesuchte Wirkung verlohrengeht. Wenn etliche ganze Tacte aus einem Tone gebunden sind; kann gleichfalls ein jeder besonders angeschlagen werden.

29. §.

Hat der Solospieler das Zeitmaaß, beym Anfange, nicht so wie er sollte gefasset: so muß der Accompagnist ihm nicht hinderlich seyn, solches nach seinem Gefallen zu ändern.

30. §.

Um das Zeitmaaß, besonders in ganz langsamen Sätzen, nicht zu verrücken, muß sich der Clavierspieler hüten, daß er beyde Hände nicht zu hoch oder ungleich aufhebe; und daß er die accompagnirenden Noten, als: Viertheile oder Achttheile nicht zu kurz anschlage, und die Hände zu geschwind vom Claviere abziehe. Denn wenn er die Hände länger in der Höhe, als auf dem Claviere hält; so verliert er den Vortheil, die Zeit bey einer jeden Note richtig abmessen zu können. Macht er aber mit den Händen eine gleiche Bewegung, so daß er dieselben eben so lange in der Höhe hält, als er sie auf dem Claviere liegen läßt; so theilen sich [237] bey den Viertheilen, die Achttheile, und den den Achttheilen, die Sechzehntheile, richtig und ohne vieles Nachdenken von sich selbst ein: auch bekommen die Noten dadurch einen unterhaltenen Klang, und das Instrument wird angenehmer. Da hingegen, wenn dieses nicht beobachtet wird, die Seyten durch den geschwinden Rückfall der Federn, an dem erfoderlichen Schwunge zu zeitlich gehindert werden: und also der natürliche Ton, so im Instrumente liegt, nicht so wie er soll, heraus kommen kann. Nicht zu gedenken, daß auch widrigenfalls unter dem Staccato und andern Noten kein Unterschied bleiben würde. Bey einem Sostenuto aber, müssen die Finger ganz bis zur folgenden Note liegen bleiben.

31. §.

Wenn in einem Adagio, bey einem Einschnitte, beyde Stimmen pausiren, und die Oberstimme, mit einer Note im Aufschlage des Tacts, allein anzufangen hat, die folgende Note im Niederschlage aber eine Quarte, Quinte, Sexte, oder Septime höher steht, allwo der Solospieler Freyheit hat, eine willkührliche Auszierung anzubringen: so muß der Begleiter, dessen erste Note, bey solchen Fällen, gemeiniglich erst mit dem Niederschlag wieder anfängt, so lange warten, bis die Oberstimme die Note im Niederschlage berühret; und darf sich im Zeitmaaße nicht übereilen: weil solches bey dergleichen Fällen, nicht nach der Strenge genommen wird. Hat aber die Hauptstimme Bindungen, oder sonst haltende Noten, der Baß aber Bewegungen darunter: so muß der Accompagnist das Zeitmaaß nach der Strenge beobachten; und findet hierbey kein Nachgeben statt: weil der Solospieler verbunden ist, sich mit den Auszierungen nach dem Basse zu richten.

32. §.

Was bisher gesaget worden, geht hauptsächlich das Adagio an. Ob nun wohl, in geschwinden Stücken, nicht alles nach der Strenge, die bey dem Adagio erfodert wird, beobachtet werden kann: so kann doch das meiste von dem, was zu der Discretion und dem Ausdrucke gehöret, auch bey dem Allegro angewendet werden. Hauptsächlich aber kömmt es bey dem Allegro darauf an: daß der Accompagnist das Zeitmaaß nach der größten Strenge halte, und sich weder schleppen lasse, noch eile; daß er in der linken Hand eine Fertigkeit besitze, alles deutlich und rein zu spielen: wozu überhaupt die Instrumentalmusik vortheilhafter ist als die Singmusik: weil bey dieser nicht so viel Fertigkeit und Feuer, als bey jener erfodert werden kann; daß er, wenn viele Achttheile auf einem Tone [238] vorkommen, dieselben mit der linken Hand alle anschlage; nicht aber, wie einige aus unzeitiger Bequemlichkeit zuweilen, absonderlich bey Singstücken, thun, eine anschlage, und drey oder wohl gar sieben vorbey streichen lasse; daß er mit der rechten Hand gelassen und bescheiden verfahre; daß er weder gar zu vollstimmig, noch die Hauptstimme mit spiele; daß er nach kurzen Pausen die Hände nicht zu hoch aufhebe: denn hierdurch kann das Zeitmaaß leicht verrücket werden; weswegen er mit der rechten Hand den Accord zur folgenden Note, anstatt der vorhergehenden kurzen Pause anschlagen kann[2]; daß er mit der rechten Hand nicht solche geschwinde Bewegungen mache, wodurch er zum Zögern verleitet werden kann, und der Solospieler an seiner Geschwindigkeit verhindert wird; daß er die durchgehenden Noten nicht mit vielen Stimmen belade; daß er das Piano und Forte zu rechter Zeit ausdrücke; daß er die Baßnoten in ihrer Lage, und die Intervalle so, wie sie gesetzt sind, spiele; auch bey denselben nichts zusetze; daß er endlich, in Ansehung der Stärke und Schwäche, sich nach der Stärke der Hauptstimme[WS 7] richte. Ist es eine Flöte, so muß er, wenn dieselbe in der Tiefe spielet, besonders in Molltönen, das Accompagnement sehr mäßigen.

33. §.

Bey einem Recitativ so auswendig gesungen wird, geschieht dem Sänger eine große Erleichterung wenn der Accompagnist die ersten Töne desselben bey einem jeden Einschnitte voraus nimmt, und ihm, so zu sagen, in den Mund leget; indem er nämlich erstlich den Accord durch eine geschwinde Brechung anschlägt, doch so, daß des Sängers erste Note, wo möglich, in der obersten Stimme liege; und gleich darauf ein Paar der nächsten Intervalle, die in der Singstimme vorkommen, einzeln nachschlägt; s. Tab. XXIII. Fig. 5. Dieses kömmt dem Sänger, so wohl wegen des Gedächtnisses, als auch wegen der Intonation, sehr zu statten. Was sonst noch im Recitativ zu bemerken, und im Accompagnement überhaupt zu beobachten ist, wird in dem folgenden Abschnitte weitläuftiger gezeiget werden.

[239]

Des XVII. Hauptstück.
VII. Abschnitt.
Von den Pflichten welche alle begleitenden Instrumentisten überhaupt in Acht zu nehmen haben.


1. §.

Soll ein Orchester recht gute Wirkung thun: so müssen nicht nur alle Mitglieder desselben mit guten und reinen Instrumenten versehen seyn, sondern sie müssen dieselben auch richtig und gleichlautend einzustimmen wissen.

2. §.

Es könnte für einen Überfluß angesehen werden, wenn ich wegen der Stimmung der Bogeninstrumente einige Erinnerungen mache: denn was scheint leichter zu seyn, als ein mit vier Seyten bezogenes Instrument in Quinten rein zu stimmen? da ja das Gehör natürlicher Weise eher das Intervall der Quinte, als die übrigen, begreifen lernet. Dessen ungeachtet lehret es die Erfahrung, daß, wenn auch einige erfahrene Violinisten, oder andere Instrumentisten, sich in diesem Stücke ihrer Pflicht gemäß verhalten; dennoch der meiste Theil, entweder aus Unwissenheit, oder aus Nachlässigkeit, dawider handelt: so daß, wenn man, bey einem zahlreichen Accompagnement, die Instrumente einzeln untersuchen sollte, man finden würde, daß nicht nur fast ein jedes Instrument in sich selbst unrein gestimmet seyn, sondern auch öfters nicht zwey oder drey mit einander übereinstimmen würden: welches aber, an der guten Aufnahme[WS 8] der Musik überhaupt, eine große Hinderniß zu wege bringt.

[240]
3. §.

Wer davon Beweis verlanget, der stelle sich einen geschikten Clavierspieler vor, wenn er auf einem verstimmten Instrumente spielet; und bemerke, ob die Uneinigkeit der Stimmung einem feinen musikalischen Gehöre nicht mehr Beleidigung anthun wird, als ihm des Spielers gute Art zu spielen Vergnügen erwecket. Geschieht nun dieses bey einem einzigen Instrumente, wo die Verdoppelung der Töne nur aus zweenen Einklängen und höchstens zwoen Octaven besteht; was für eine üble Wirkung muß es nicht bey einer zahlreichen Musik thun, wo der Einklang so vielmal verdoppelt wird, wenn die Instrumente nicht mit einander übereinstimmen. Es ist zwar wahr, daß ein jeder von den Bogeninstrumentisten sein Instrument nach dem Gehöre spielet, und die Finger nach Gefallen, höher oder tiefer setzen kann: allein die unreine Stimmung wird doch dann und wann durch die bloßen Seyten, welche man nicht zu allen Zeiten vermeiden kann, besonders die tiefsten, auf einem jeden Instrumente verrathen. Ueberdieses ist zu vermuthen, daß derjenige, welcher sich so leichtsinnig gewöhnet, sein Instrument selten recht rein zu stimmen, auch nicht vermögend sey, dasselbe recht rein zu spielen: weil immer aus einem Uebel das andere entspringt. Wäre auch ein Violinist geschikt genug, durch Versetzung der Hände alles zu spielen, ohne die bloßen Seyten zu berühren: so kann er doch nicht vermeiden, die Quintensprünge mit einem Finger zu greifen. Sind nun die Seyten an und für sich nicht rein gestimmet: so bleiben diese Quintensprünge, in geschwinden Stücken, gleichfalls unrein.

4. §.

Um die Violine recht rein zu stimmen, halte ich dafür, daß man nicht übel thun würde, wenn man sich nach der Regel richtete, die bey Stimmung des Claviers beobachtet werden muß, nämlich: wenn man die Quinten, nicht, wie geschieht, ganz rein, oder wohl gar über sich schwebend, sondern vielmehr unter sich schwebend stimmete: damit die bloßen Seyten alle mit dem Claviere übereinträfen. Denn sofern man die Quinten alle scharf und rein stimmen will: so folget natürlicher Weise, daß von vier Seyten nur eine mit dem Claviere gleichlautend ist. Stimmet man aber das A zum Claviere rein, und läßt das E zum A ein wenig unter sich, das D zum A, und das G zum D aber, über sich schweben: so werden beyde Instrumente gegen einander übereinstimmen. [241] Doch will ich diese Meynung nicht als eine Regel, sondern nur zum weitern Nachdenken gegeben haben.

5. §.

Die Blasinstrumente können, bey warmer Witterung, ein wenig tiefer als die Violinen einstimmen; weil sie sich in währendem Blasen erhöhen: da hingegen die mit Seyten bezogenen Instrumente, sich durch die Wärme erniedrigen.

6. §.

Der Ton, in welchem die Orchester zu stimmen pflegen, ist nach Beschaffenheiten der Orte und Zeiten immer sehr verschieden gewesen. Der unangenehme Chorton hat einige Jahrhunderte in Deutschland geherrschet, welches die alten Orgeln sattsam beweisen. Man hat auch die übrigen Instrumente, als: Violinen, Baßgeigen, Posaunen, Flöten a bec, Schallmeyen, Bombarte, Trompeten, Clarinetten, u. s. w. darnach eingerichtet. Nachdem aber die Franzosen, nach ihrem angenehmen tiefern Tone, die deutsche Querpfeife in die Flöte traversiere, die Schallmey in den Hoboe, und den Bombart in den Basson verwandelt hatten; hat man in Deutschland auch angefangen, den hohen Chorton mit dem Kammertone zu verwechseln: wie auch nunmehro einige der berühmtesten neuen Orgeln beweisen. Der venezianische Ton ist itziger Zeit eigentlich der höchste, und unserm alten Chortone fast ähnlich. Der römische Ton war, vor etlichen und zwanzig Jahren, tief, und dem Pariser Tone gleich. Anitzo aber fängt man an, den Pariser Ton dem venezianischen fast gleich zu machen.

7. §.

Die Verschiedenheit des Tones in welchem man stimmet, ist der Musik sehr schädlich. Bey der Singmusik verursachet er die Unbequemlichkeit, daß die Sänger diejenigen Arien, die an einem Orte, wo die Stimmung hoch ist, für sie gemacht waren, an einem andern Orte, wo man tief stimmet, und umgekehrt, die Arien, die nach einer tiefen Stimmung eingerichtet sind, an einem Orte, wo die Stimmung hoch ist, kaum brauchen können. Es wäre daher sehr zu wünschen, daß an allen Orten einerley Ton bey der Stimmung eingeführet werden möchte. Es ist nicht zu läugnen, daß der hohe Ton viel durchdringender ist, als der tiefe: er ist aber dagegen bey weitem nicht so angenehm, rührend, und prächtig. Ich will eben nicht die Parthey von dem ganz tiefen französischen Kammertone nehmen; ob er gleich für die Flöte traversiere, den [242] Hoboe, den Basson, und einige andere Instrumente der vortheilhafteste ist: ich kann aber auch den ganz hohen venezianischen Ton nicht billigen; weil die Blasinstrumente in demselben allzu widrig klingen. Ich halte deswegen den deutschen sogenannten A-Kammerton, welcher eine kleine Terze tiefer ist, als der alte Chorton, für den besten. Denn dieser ist weder zu tief, noch zu hoch, sondern das Mittel zwischen dem französischen und venezianischen: und in diesem können sowohl die mit Seyten bezogenen, als die Blasinstrumente, ihre gehörige Wirkung thun. Der ganz hohe Ton würde machen, daß obgleich die Figur der Instrumente bliebe, doch endlich aus der Flöte traversiere wieder eine Querpfeife, aus dem Hoboe wieder eine Schallmey, aus der Violine ein Violino piccolo, und aus dem Basson wieder ein Bombart werden würde. Die Blasinstrumente, welche doch eine so besondere Zierde eines Orchesters sind, würden hiervon den größten Schaden haben. Dem tiefen Tone haben sie eigentlich ihren Ursprung zu danken. Wenn nun vornehmlich die Hoboen und Bassone, welche zum tiefen Tone gemacht worden, durch Verkürzung der Röhre und Esse in die Höhe gezwungen werden müssen; so werden sie, durch diese Verkürzung, durch und durch falsch. Die Octaven gehen auseinander, und der unterste Ton einer Octave wird tiefer, der oberste aber höher: so wie im Gegentheile bey allzuweiter Ausziehung des Rohres und Verlängerung des Esses, die Octaven zusammen gehen, und der unterste Ton höher, der oberste aber tiefer wird. Es hat damit eben die Beschaffenheit wie mit der Flöte, wenn man den Pfropf derselben entweder allzutief einstecket, oder allzuweit auszieht. Denn im ersten Falle gehen die Octaven, auf oben gemeldete Weise auseinander; im zweyten aber, geben sie sich zusammen. Man könnte zwar allenfalls kleinere und engere Instrumente, zum Vortheile des hohen Tones, verfertigen lassen: allein die meisten Instrumentmacher arbeiten nach ihrem einmal angenommenen, nach dem tiefen Tone eingerichteten Modelle; und die wenigsten würden im Stande seyn, die Mensur nach gehörigem Verhältniß so zu verjüngen, daß das Instrument zwar hoch würde, doch aber auch seine Reinigkeit behielte. Geriethe auch endlich eins und das andere, so wäre doch noch die Frage, ob die obgemeldeten Instrumente, wenn sie auf den hohen Ton eingerichtet sind, noch eben die Wirkung thun würden, welche sie thun, wenn sie bey ihrem alten ihnen eigenen Maaße bleiben? Die Partheylichkeit für ein Instrument ist zwar an sich selbst gut; aber nur so lange, als sie den andern Instrumenten nicht zum [243] Schaden gereichet. In einigen Theilen Welschlands liebt man die obengedachte Erhöhung des Tones. Denn in diesem Lande werden die Blasinstrumente weniger als in andern Ländern gebrauchet: und folglich hat man davon nicht einen solchen guten Geschmack, als von andern Dingen in der Musik. In Rom wurden einsmals die Blasinstrumente aus der Kirche verbannet. Ob nun vielleicht der unangenehme hohe Ton, oder die Art sie zu spielen daran Ursache gewesen, lasse ich dahin gestellet seyn. Denn obgleich der römische Ton tief, und für den Hoboe vortheilhaft war: so spieleten doch damals die Hoboisten auf solchen Instrumenten, die einen ganzen Ton höher stunden, und mußten folglich transponiren. Allein diese hohen Instrumente thaten, gegen die übrigen tiefgestimmeten, eine solche Wirkung, als wenn sie deutsche Schallmeyen wären.

8. §.

Wegen des Reingreifens der Töne auf den Bogeninstrumenten, und sonderlich der Violine, kömmt sehr viel auf ein gutes musikalisches Gehör an. Dieses aber kömmt nicht von der Natur allein her; sondern es muß auch, durch die Erkenntniß des Verhalts der Töne, zuwege gebracht werden. Mancher empfindet, durch das angebohrne Gehör, wenn ein anderer falsch spielet: wenn er aber eben denselben Fehler selbst begeht, wird er es entweder nicht gewahr, oder er weis sich nicht zu helfen. Das beste Mittel, sich aus dieser Unwissenheit zu reissen, ist das Monochord oder der Klangmesser. Auf diesem kann man die Verhältnisse der Töne am allerdeutlichsten erkennen lernen. Es wäre deswegen nöthig, daß nicht nur ein jeder Sänger, sondern auch ein jeder Instrumentist, sich dieselben bekannt machte. Er würde dadurch die Erkenntniß der Subsemitone viel zeitlicher erlangen, und viel eher lernen, daß die mit einem ♭ bezeichneten Töne um ein Komma höher seyn müssen, als die, welche ein Kreuz vor sich haben: da er sich, ohne diese Einsicht, nur allein auf das Gehör, welches doch betrüglich ist, verlassen muß. Hauptsächlich wird dieses von den Violinisten und dergleichen Bogeninstrumentisten erfodert; als denen, wegen Setzung der Finger, keine Gränzen, wie den Blasinstrumentisten, gesetzet werden können. Es würde auch mancher in der Höhe reiner spielen; wenn er wüßte, daß auf einer Seyte, vom Anfange bis in die Höhe, die Töne nicht in einerley Weite, sondern immer verjünget, nämlich näher und näher an einander liegen. Zum Beweis: die Seyte wird auf der Geige wie auf dem Monochorde in zweene Theile getheilet: da denn die erste Hälfte davon die Octave angiebt. [244] Theilet man die zweyte Hälfte davon wieder in zweene Theile, so giebt der erste Theil davon noch eine Octave höher an: und so verhält es sich mit dem Reste der Seyte, bis an den Steg. Wollte man nun in der zweyten Octave die Finger eben so weit aus einander setzen, als in der ersten; so würde bey einem jeden Tone, anstatt der Secunde, die Terze hervor kommen. Es folget also hieraus, daß die Verjüngung, nach dem ersten Tone, in gehörigem Verhältnisse ihren Anfang nehmen, und so, bis zum Ende der Seyte, fortfahren, folglich das Instrument mit vieler Beurtheilung gespielet werden müsse.

9. §.

Wenn die eigentlichen Subsemitone vorkommen, das ist, wenn ein durch das erniedrigter Ton, sich in den nächst darunter liegenden durch das Kreuz erhöheten, oder ein durch das Kreuz erhöheter, sich in den nächst darüber liegenden durch das erniedrigten Ton verwandelt, s. Tab. XXIII. Fig. 6. und 7: so ist zu merken, daß, wie schon im vorigen § gedacht worden, der Ton mit dem Kreuze, gegen den mit dem , um ein Komma tiefer seyn muß. Zum Exempel G mit dem Kreuze, muß ein Komma tiefer seyn als A mit dem . Wenn diese zwo Noten an einander gebunden sind, s. Tab. XXIII. Fig. 6. so muß der Finger bey dem auf das folgende Kreuze, etwas zurück gezogen werden: sonst würde die große Terze gegen die Grundstimme zu hoch seyn. Folgt aber auf das Kreuz ein , s. Fig. 7. so muß der Finger bey der Note mit dem um so viel hinauf rücken, als man ihn bey dem vorhergehenden Exempel zurück zieht: wie hier in der Oberstimme vom G mit dem Kreuz ins A mit dem ; in der zweyten Stimme vom E mit dem Kreuze ins F; und in der Grundstimme, vom C mit dem Kreuze ins D mit dem , angebracht werden muß. Eben dieses ist auf allen Instrumenten zu beobachten: das Clavier ausgenommen; als auf welchem man die Verwandelung der Subsemitone nicht angeben kann, und welches deswegen eine gute Temperatur haben muß, um zu beyden erleidlich zu klingen. Auf Blasinstrumenten geschieht diese Veränderung durch den Ansatz, nämlich: auf der Flöte wird der Ton durch das Auswärtsdrehen erhöhet, und durch das Einwärtsdrehen erniedriget. Auf dem Hoboe und dem Basson, geschieht die Erhöhung des Tones, durch tieferes Einschieben des Rohres in den Mund, und festeres Zudrücken der Lippen; die Erniedrigung aber, durch Zurückziehung des Rohres, und Nachlassung der Lippen.

[245]
10. §.

Wenn ein Orchester gut seyn soll, muß es sich eines guten, und einem jeden Stücke, in seiner Art, und nach seinen Eigenschaften gemäßen Vortrags, befleißigen. Das Stück sey lustig oder traurig, prächtig oder scherzend, frech oder schmeichelnd, oder wie es sonst seyn mag; so muß es in der Leidenschaft, welche es ausdrücken soll, vorgetragen werden. Hat man eine concertirende Stimme zu begleiten, so muß ein jeder Accompagnist, sich, in allen Fällen, nach dem Vortrage des Concertisten richten, und an allen Umständen Theil nehmen. Es muß dabey keine Partheylichkeit herrschen, daß man des einen seine Arbeit gut, des andern seine Arbeit schlecht ausführen wollte: sondern ein jeder muß alles was ihm vorgeleget wird, es sey gesetzet von wem es wolle, mit eben dem Eifer auszuführen suchen, als wenn es seine eigene Arbeit wäre, will er anders nicht den, einem Musikus so rühmlichen, Charakter eines ehrlichen Mannes verläugnen.


11. §.

Was zu Erlangung eines guten Vortrags überhaupt erfodert wird, kann aus dem XI Hauptstücke, mit mehrerm ersehen werden. Die Art der Bogenstriche, die ein jedes Stück erfodert, wird im II Abschnitte dieses Hauptstücks erkläret: weil doch beim Accompagnement auf die Bogeninstrumente das meiste ankömmt.

12. §.

Nicht nur ein jedes Stück und eine jede Leidenschaft insbesondere, sondern auch der Ort und die Absicht einer Musik, geben dem Vortrage derselben gewisse Regeln und Einschränkungen. Z.E. Eine Kirchenmusik erfodert mehr Pracht und Ernsthaftigkeit, als eine theatralische, welche mehr Freyheit zuläßt. Wenn in einer Kirchenmusik, von dem Componisten, einige freche und bizarre Gedanken, so sich in die Kirche nicht wohl schicken, mit sollten seyn eingeflochten worden: so müssen die Accompagnisten, besonders aber die Violinisten, dahin trachten, daß solche durch einen bescheidenen Vortrag, so viel möglich, vermäntelt, gezähmet, und sanfter gemacht werden mögen.

13. §.

Ein guter und der Sache gemäßer Vortrag, muß sich aber auch bis auf die komische Musik erstrecken. Ein Zwischenspiel, (Intermezzo) welches eine Caricatur, oder das Gegentheil von einer ernsthaften Singmusik vorstellet, und mehr aus gemeinen und niedrigen, als ernsthaften [246] Gedanken von dem Componisten verfertiget wird, auch keine andere Absicht, als die Critik und das Lachen zum Grunde hat, muß, wenn es seinen Zweck erreichen soll, von den begleitenden Stimmen, zumal in den lächerlichen Arien, nicht wie eine ernsthafte Oper, sondern auf eine niedrige, und ganz gemeine Art accompagniret werden. Ein gleiches ist bey einem Ballet von gemeinem Charakter zu beobachten: weil, wie schon gesaget worden, das Accompagnement, nicht nur an dem Ernsthaften, sondern auch an dem Komischen, Antheil nehmen muß.

14. §.

Der Vortrag muß aber nicht allein gut, und jedem Stücke gemäß; sondern auch bey allen Mitgliedern eines guten Orchesters gleich und übereinstimmend seyn. Man wird einräumen, daß eine Rede von dem einen mehr Eindruck als von dem andern machet. Wollte man eine deutsche Tragödie, in welcher lauter Personen, die in eben demselben Lande gebohren sind, vorkämen, mit Leuten vorstellen, deren Mundart unterschieden wäre, als: Hochdeutsch, Niederdeutsch, Oesterreichisch, Schwäbisch, Tyrolisch, Schweitzerisch, u.s.w. so würde solcher Unterschied der Aussprache auch die allerernsthafteste Tragödie lächerlich machen. Mit der Musik hat es fast eine gleiche Bewandtniß, wenn bey solcher ein jedes Mitglied seine besondere Art zu spielen hat. Z. E. Wollte man ein Orchester aus solchen Personen zusammen setzen, deren einige nur nach italiänischem, andere nur nach französischem Geschmacke, andere außer diesen beyden Arten spieleten: so würde, wenn auch ein jeder in seine Art geschikt genug wäre, doch die Ausführung, wegen der Verschiedenheit des Vortrages, eben dieselbe Wirkung thun, welche oben von der Tragödie gesagt worden. Ja der Schade würde noch viel größer seyn: weil bey der Tragödie doch nur einer nach dem andern redet; bey der Musik aber, die meiste Zeit, von allen zugleich gespielet wird. Man glaubet oftmals, daß, wenn nur die Hauptstimme mit geschikten Leuten besetzet sey, es mit den übrigen nicht viel zu sagen habe. Wie aber ein wenig Essig auch den besten Wein verdirbt: also geschieht es auch in der Musik; wenn nur einige Stimmen gut, die andern aber, und sollte es auch nur eine einzige seyn, schlecht gespielet werden.

15. §.

Ein jeder Concertist muß, wenn er eine Ripienstimme spielet, seiner Geschiklichkeit, die er im Concertiren und im Solospielen besitzet, auf gewisse Art entsagen, und sich aus der Freyheit, die ihm, wenn er allein [247] hervorraget, erlaubet ist, zu der Zeit, wenn er nur accompagniret, so zu sagen in eine Sklaverey versetzen. Er darf also nichts hinzufügen, was irgend nur die Melodie verdunkeln könnte: besonders, wenn eben dieselbe Stimme mehr als einmal besetzet ist. Widrigenfalls würde er eine große Verwirrung in der Melodie anrichten. Denn es ist nicht möglich, daß einer zu allen Zeiten des andern Gedanken errathen könne. Z. E. Es machte einer nur einen Vorschlag, der nicht geschrieben wäre, und der andere spielte die Note simpel: so würde dadurch eine üble Dissonanz, ohne Vorbereitung und Auflösung, zum Vorscheine kommen, und das Gehör, besonders in langsamen Stücken, sehr beleidigen. Wollte einer die geschriebenen Vorschläge nicht nach ihrem gehörigen Zeitmaaße spielen, sondern die langen kurz, oder die kurzen lang machen, so würde solches, wegen derer die mit ihm spielen, eine eben so üble Wirkung thun. Die Ritornelle vornehmlich muß er ohne allen willkührlichen Zusatz ausführen. Dieser Zusatz steht nur dem Concertisten frey. Einige haben die üble Gewohnheit, schon im Ritornell zuweilen allerhand Allfanzereyen anzubringen, und vergessen darüber wohl gar die Noten recht zu lesen. Manche beschließen absonderlich die Arien mit einem vollstimmigen Griffe, wo keiner seyn soll. Dieses scheinen sie den Bierfiedlern abgelernet zu haben. Noch schlimmer ist es, wenn sie unmittelbar nach dem Schlusse der Arie, ein Paar bloße Seyten auf der Violine anstreichen. Wenn nun z. E. die Arie aus dem Es dur geht, und sie probiren gleich darauf E und A; so kann man sich vorstellen, was es für schöne Wirkung thue.

16. §.

Da nun solchergestalt die Schönheit eines Orchesters hauptsächlich darinne besteht, daß die Mitglieder desselben alle einerley Art zu spielen haben, da von dem Anführer desselben unumgänglich eine gute, und jedem Stücke gemäße Art zu spielen, erfodert wird: so liegt es auch einem jeden Mitgliede des Orchesters ob, sich in diesem Falle nach dem Anführer zu richten, seiner Anweisung nicht zu widerstreben, und es sich für keine Schande zu achten, wenn man sich einer vernünftigen und nöthigen Subordination, ohne welche keine gute Musik bestehen kann, unterwerfen muß. Man wird selten ein seit vielen Jahren eingerichtetes Orchester finden, welches nicht sowohl aus guten als aus schlechten Leuten bestehen sollte: wie man am besten wahrnehmen kann, wenn man, um ein klein Concert zu erhalten, wechselsweise nur einen Theil davon aussuchet. Es befinden [248] sich sowohl alte als junge Leute darunter. Weder das Alter noch die Jugend der Mitglieder macht ein Orchester gut: sondern die gute Zucht und Ordnung, in welcher sie sich befinden. Es kann ein alter Ripienist, wenn er anders noch gute Kräfte hat, und unter einer guten Anführung erzogen worden ist, bessere Dienste leisten, als mancher junger, welcher vielleicht mehr Vermögen Schwierigkeiten auszuführen, aber weniger Erfahrung besitzet; und dabey nicht folgsam ist, sich der gehörigen Subordination zu unterwerfen. Oefters pflegen sowohl die Alten, wenn sie unter einer schlechten Anführung erzogen worden sind, als die Jungen, wenn sie sich auf ihre Fertigkeit im Spielen zu viel einbilden, widerspenstig zu seyn: diese, wegen ihrer vermeynten Geschiklichkeit, jene aber aus Vorurtheil, oder wegen des Vorzugs der Jahre. Die Alten meynen öfters, es geschähe ihnen zu viel, wenn sie sich einem Anführer unterwerfen sollen, der nicht so reich an Jahren ist, als sie: die Jungen aber bilden sich ein, eben so viel Geschiklichkeit zu besitzen, als zu einem Anführer erfodert wird: ungeachtet der Pflichten, die einem guten Anführer obliegen, nicht wenig sind. Wie kann aber ein Orchester bestehen, oder zunehmen, wenn unter desselben Mitgliedern, anstatt harmonirender und biegsamer Gemüther, meistentheils nur Widerspenstigkeit, Neid, Haß, und Ungehorsam herrschet. Wo bleibt da der gleiche und übereinstimmende Vortrag, wenn ein jeder seinem eigenem Kopfe folgen will?

17. §.

Zur Beförderung des übereinstimmenden Vortrags dienet noch eine Regel, die einem jeden, der ein guter Musikus, und ins besondere ein geschikter Accompagnist werden will, anzupreisen ist: Es muß sich, so lange als er ein musikalisches Stück auszuführen hat, der Verstellungskunst befleißigen. Diese Verstellungskunst ist nicht nur erlaubt; sondern so gar höchstnöthig, und thut in der Sittenlehre keinen Schaden. Wer sich bemühet, im ganzen Leben, seiner Leidenschaften, so viel als möglich ist, Meister zu seyn; dem wird es auch nicht schwer fallen, sich wenn er spielen soll, allezeit in den Affect, welchen das auszuführende Stück verlanget, zu setzen. Alsdenn wird er erst recht gut, und gleichsam allezeit aus der Seele spielen. Denn wer diese löbliche Verstellungskunst nicht versteht, der ist noch kein wahrer Musikus; sondern nicht besser als ein gemeiner Handwerker: wenn er auch alle Contrapuncte aus dem Grunde verstünde; oder auf seinem Instrumente alle möglichen Schwierigkeiten zu [249] spielen wüßte. Mancher aber übet leider die verbothene Verstellungskunst im gemeinen Leben sehr häufig, die erlaubte bey der Musik aber, nur sehr selten aus.

18. §.

Ein rechtschaffener Musikus muß nicht eigensinnig, und auf seinen Rang nicht allzusehr erpicht seyn. Z. E. Ein geschikter Violinist hat sich keineswegs zu schämen, wenn er im Fall der Noth etwan eine zweyte Violine, oder gar die Bratsche spielen müßte. Denn diese erfodern in ihrer Art, und bey manchen Stücken, eben sowohl einen geschikten Ausführer, als die erste Violine. Den besten und gründlichsten Rang giebt einem brafen Musikus seine Geschiklichkeit: und diese kann er bey dem einen sowohl als bey dem andern zeigen.

19. §.

Die genaue Ausdrückung des Forte und Piano[3] , ist eines der nöthigsten Stücke in der Ausführung. Die Abwechselung des Piano und Forte ist eines der bequemsten Mittel, nicht nur die Leidenschaften deutlich vorzustellen; sondern auch Licht und Schatten in der Musik zu unterhalten. Wenn solches in gehörigem Verhältnisse, und zu rechter Zeit, von einem jeden beobachtet würde: so möchte manches Stück bey den Zuhörern eine bessere Wirkung thun, als öfters nicht geschieht. Man sollte glauben daß nichts leichter sey, als nach Anzeige zweener Buchstaben, stark oder schwach zu spielen. Dennoch wird dieses so wenig in Acht genommen, daß bey manchem öfters noch eine mündliche Erinnerung deswegen nöthig wäre. Allein da ein ziemlicher Theil der sogenannten Tonkünstler selbst, wenig Empfindung und Gefallen an der Musik hat, sondern dieselbe nur treibt, um davon Unterhalt zu haben: so wird folglich öfters, weder mit Lust, noch mit gehöriger Aufmerksamkeit gespielet. Eine gute und vernünftige Subordination könnte diesem Uebel viel abhelfen: denn wo diese fehlet, da bleibt ein Orchester, wenn sich auch noch so viele geschikte Leute darunter befänden, doch allezeit mangelhaft.

[250]
20. §.

Das Forte und Piano muß niemals aufs äußerste getrieben werden. Man muß die Instrumente nicht stärker angreifen, als es ihre Natur leidet: denn dieses würde, zumal an einem kleinen Orte, wo die Zuhörer nahe stehen, dem Gehöre sehr unangenehm fallen. Man muß vielmehr allezeit noch den Vortheil übrig zu behalten suchen, noch ein Fortissimo oder Pianissimo, wenn es nöthig wäre, ausdrücken zu können. Es kann dieses öfters unvermuthet vorkommen: um eine Note, wenn auch nichts dabey geschrieben steht, entweder zu erheben, oder zu mäßigen. Hätte man nun allezeit in der größten Stärke oder Schwäche gespielet: so würde dieser Vortheil verlohren gehen. Zugeschweigen, daß zwischen dem Fortissimo und Pianissimo mehrere Stufen der Mäßigung sich befinden, als man mit Worten ausdrücken kann, und welche nur vermittelst der Empfindung und Beurtheilung, aus dem Vortrage eines guten Concertisten erkannt, und sodann mit Discretion ausgeübt werden müssen. Das Fortissimo, oder die größte Stärke des Tones, kann am füglichsten mit dem untersten Theile des Bogens, und etwas nahe am Stege; das Pianissimo, oder die äußerste Schwäche des Tones aber, mit der Spitze des Bogens, und vom Stege etwas entfernet, ausgeübt werden.

21. §.

Um das Forte und Piano recht auszudrücken, muß man auch betrachten, ob man an einem großen Orte, wo es schallet, oder an einem [251] kleinen, zumal tapezirten Orte, wo der Ton gedämpft wird, accompagnire; ob die Zuhörer entfernet oder nahe seyn; ob man eine schwache oder eine starke Stimme begleite; und endlich ob die Anzahl der accompagnirenden Instrumente, stark, mittelmäßig, oder gering sey. An einem großen Orte, wo es schallet, muß man nach einem starken und rauschenden Tutti, ein darauf geschwind folgendes Piano nicht allzuschwach spielen: weil es sonst durch den Nachschall würde verschlungen werden. Sofern aber das Piano eine Weile anhält, kann man den Ton nach und nach mäßigen. Wo dieser Umstand nicht vorhanden ist, da thut man besser, wenn man das Piano, bey der Note wo es geschrieben ist, gleich so nimmt wie es seyn soll. Wenn aber auf das Piano ein Forte folget, so kann man die erste Note davon etwas stärker spielen als die folgenden. Bey Begleitung einer schwachen Stimme, muß das Piano etwas schwächer seyn, als bey einer starken; im Allegro nehme man es schwächer als im Adagio; in den hohen Tönen oder auf den dünnen Seyten schwächer als auf den dicken. Wenn in einem Concert, sonderlich wenn es ein Flötenconcert ist, unter dem Solo ein Forte vorkömmt: zumal wenn die Flöte nicht in der Höhe, sondern in der Tiefe spielet, so muß solches nur als ein Mezzo forte ausgeführt werden: wie denn überhaupt eine Flöte, so wie eine jede schwache Stimme, mit vieler Mäßigung begleitet werden muß. Es kömmt nur darauf an, daß ein jeder Accompagnist Achtung gebe, ob er die concertirende Stimme selbst höre. Ist dieses nicht, so kann er leicht merken, daß das Accompagnement zu stark sey, und folglich eine Mäßigung erfodere. Die Anzahl der begleitenden Instrumente muß endlich auch in Betrachtung gezogen werden. Gesetzt es spieleten zwölf Violinisten einerley Piano, es höreten aber sechs davon auf; so würde aus diesem Piano ein Piano assai. Giengen noch vier davon ab; so würde endlich ein Pianissimo draus. Soll nun das Piano seinen gehörigen Verhalt haben, so folget aus obigem, daß wenn zweene Violinisten piano spielen, deren sechs piano assai, und zwölf pianissimo spielen müssen. Ausgenommen an einem sehr großen Orte, wo der Ton sich verlieret: denn hier hat man sich nach den Hauptstimmen, ob solche stark oder schwach, Trompeten oder Flöten sind, zu richten.

22. §.

Weil auch nicht alle Instrumente, besonders die Violinen, einerley Stärke im Tone haben, welches folglich im Piano und Forte eine [252] Ungleichheit verursachen könnte: so muß sich der Stärkere im Forte nach dem Schwächern, und der Schwächere im Piano nach dem Stärkern richten: damit man nicht eine Stimme stärker als die andere höre; besonders wenn sie Nachahmungen gegen einander zu spielen haben, und die Stimmen nur einfach besetzet sind.

23. §.

Wenn bey einer concertirenden Stimme mehr als eine Stimme zugleich begleiten; so muß unter diesen die Grundstimme stärker als die übrigen gehöret werden. Ein gleiches ist in einem Tutti zu beobachten, wenn anders die Mittelstimmen gegen die Hauptstimme oder gegen die Grundstimme keine Nachahmung, oder sonst in Terzen oder Sexten eine ähnliche Melodie haben. Denn die Stimmen welche nur zur Verstärkung der Harmonie dienen, dürfen vor den Hauptstimmen niemals hervor ragen. Ein gearbeiteter, oder in allen Stimmen nachahmender oder fugirter Satz aber, muß auch von allen Stimmen in einerley Stärke gespielet werden.

24. §.

Wenn unter einer langen Note ein Forte, und gleich drauf ein Piano steht, und kein Wechsel des Bogenstrichs statt findet; so muß dieselbe Note mit aller Kraft, und mit einem Drucke des Bogens angegeben werden; aber auch gleich wieder ohne Rückung des Bogens im Tone abnehmen, und durch ein verlierendes Piano sich in ein Pianissimo verwandeln. Es kömmt dergleichen dann und wann vor, sonderlich wenn eine Stimme im Aufheben des Tactes mit einer starken Note anfängt, die andern aber im Niederschlage dergleichen nachzumachen haben; s. Tab. XXIII. Fig. 8.

25. §.

Wenn in einem Adagio der Concertist den Ton bald verstärket, bald mäßiget, und also durch Schatten und Licht mit Affecte spielet; so thut es die schönste Wirkung, wenn ihm die Accompagnisten in derselben Art zu Hülfe kommen, und ihren Ton mit ihm zugleich auch verstärken und mäßigen. Dieses ist, wie schon in den vorigen Abschnitten gezeiget worden, besonders bey solchen Noten, welche dissoniren, oder zu einer fremden Tonart vorbereiten, oder einen Aufenthalt in der geschwinden Bewegung verursachen, zu beobachten. Wollte man bey solchen Fällen alles in einer Farbe oder Stärke spielen, so würde der Zuhörer in eine Kaltsinnigkeit versetzet werden. Drücket man aber das Forte und Piano, [253] nach Beschaffenheit der Sache, wechselsweise, bey denen Noten, so jedes verlangen, gehörig aus; so erreichet man das, was man suchet, nämlich, den Zuhörer in beständiger Aufmerksamkeit zu erhalten, und ihn aus einer Leidenschaft in die andre zu lenken.

26. §.

Bey Wiederholung oder Aehnlichkeit der Gedanken, die aus halben oder ganzen Tacten bestehen, es sey in eben denselben Tönen, oder in einer Versetzung, kann die Wiederholung eines solchen Satzes etwas schwächer, als der erste Vortrag derselben, gespielet werden.

27. §.

Der Unison, welcher aus einer ordentlichen Baßmelodie besteht, und bey einem stark besetzten Accompagnement besonders gute Wirkung thut, muß erhaben, prächtig, feurig, mit Nachdruck des Bogens, und stärker im Tone als eine andere Melodie, gespielet werden. Die bloßen Seyten, besonders die Quinte auf der Violine, sind dabey zu vermeiden.

28. §.

Ein Hauptsatz, (Thema) zumal in einer Fuge, muß in einer jeden Stimme, und zu allen Zeiten wenn er unvermuthet eintritt, mit Nachdrucke markiret werden; besonders wenn der Anfang davon aus langen Noten besteht. Es findet dabey weder eine Schmeicheley im Spielen, noch einiger willkührlicher Zusatz von Noten statt. Wenn im Fortgange der Fuge keine Pausen vor dem Eintritte vorhergehen; kann man die vorhergehenden Noten in der Stärke des Tones etwas mäßigen. Auf gleiche Art muß man mit solchen Noten, die entweder eine Aehnlichkeit mit den Anfangsgedanken haben, oder die erst in der Mitte eines Stücks, als ein neuer Gedanke, eingeflochten werden, es sey im Tutti, oder unter dem Solo einer concertirenden Stimme, verfahren.

29. §.

Ligaturen, oder gebundene Noten, so aus Viertheilen oder halben Tacten bestehen, kann man in der Stärke des Tones wachsen lassen: weil entweder über oder unter dem zweyten Theile solcher Noten, die andern Stimmen Dissonanzen haben. Die Dissonanzen aber überhaupt, sie mögen in dieser oder jener Stimme befindich seyn, erfodern allezeit einen besondern Nachdruck; s. den 12 bis 16 §. des vorigen Abschnitts.

[254]
30. §.

Aus dem was bisher gesaget worden, ist nun zu ermessen, daß es bey weitem nicht hinlänglich sey, das Piano und Forte nur an denen Orten, wo es geschrieben steht, zu beobachten: sondern daß ein jeder Accompagnist auch wissen müsse, solches an vielen Orten, wo es nicht dabey steht, mit Ueberlegung anzubringen. Hierzu nun zu gelangen, ist ein guter Unterricht und viel Erfahrung nöthig.

31. §.

Das Zeitmaaß in einer besondern Vollkommenheit zu verstehen, und in der größten Strenge auszuüben, ist eine Pflicht, so allen denen, die von der Musik Werk machen, und also auch allen guten Accompagnisten, obliegt. Ohne diese wird die Ausführung, besonders bey einem zahlreichen Accompagnement, allezeit mangelhaft bleiben. So viel aber auch hieran gelegen ist: so würde man doch bey genauer Untersuchung finden, daß Viele im Zeitmaaße noch nicht recht sicher sind, ohnerachtet sie sich dessen schmeicheln, und vielleicht ihren Fehler selbst nicht gewahr werden; sondern daß sie sich nur nach andern richten, und auf ein Gerathewohl spielen. Diesen Fehler findet man nicht nur bey jungen Leuten allein; sondern man wird auch wohl öfters gewahr, daß von solchen, welche man für geschikte und erfahrne Tonkünstler hält, der eine im Tacte zögert, der andre sich übereilet. Hierdurch nun kann in einem Orchester viel Unordnung angerichtet werden: zumal wenn solche Leute ohngefähr die Hauptstimmen zu spielen, und andre anzuführen haben.

32. §.

Einige halten das Zögern oder Nachschleppen, (trainiren) oder das Eilen, (pressiren) für einen Naturfehler. Es ist wahr daß das herrschende sogenannte Temperament viel dazu beyträgt: und daß ein lustiger oder hitziger und hastiger Mensch zum Eilen, ein trauriger, niedergeschlagener, oder ein träger kaltsinniger Mensch aber, zum Zögern geneigt ist. Es ist aber auch nicht zu läugnen, daß man sein Temperament, wenn man anders darauf Acht hat, verbessern und mäßigen könne. Man hüte sich nur, daß zu den gedachten Fehlern nicht etwan die Unwissenheit Anlaß gebe. Man läuft Gefahr darein zu verfallen, wenn man die Eintheilung der Noten, und den Tact überhaupt, anfänglich nicht durch richtige Grundsätze, sondern mehrentheils nur aus eigener Uebung erlernen will; wenn man sich zu zeitig mit Schwierigkeiten, zu denen man noch keine Fähigkeit hat, einläßt; wenn man sich zu viel vor sich allein, ohne Begleitung [255] übet, auch nur solche Stücke wählet, die man bald auswendig behalten kann: welches aber sowohl am Notenlesen, als an Erlernung des Tactes, hinderlich ist. Will man in diesen beyden Stücken recht sicher werden, so ist kein andrer Weg dazu, als daß man anfänglich mehr Mittel- als Hauptstimmen spiele; daß man mehr andre accompagnire, als sich selbst accompagniren lasse: weil das erstere schwerer, aber auch zugleich nützlicher als das letztere ist; daß man mehr concertirende und gearbeitete, als melodiöse Stücke spiele; daß man dabey nicht auf sich allein, sondern auch auf andre, besonders auf die Grundstimme höre; daß man die Noten nicht überrusche: sondern einer jeden ihre gehörige Geltung gebe; und daß man die Hauptnoten so das Zeitmaaß eintheilen, nämlich die Viertheile im Allegro, und die Achttheile im Adagio, mit der Spitze des Fußes sich bemerke, und damit so lange anhalte, bis man dieses Hülfsmittel nicht mehr nöthig hat. Man besehe hierbey das V. und X. Hauptstück.

33. §.

Man wolle nicht glauben, daß es mit Beobachtung des Zeitmaaßes schon seine Richtigkeit habe, wenn man allenfalls nur im Niederschlage des Tacts mit den Noten eintrift: sondern es muß eine jede zu der Harmonie gehörige Note mit der Grundstimme übereintreffen. Deswegen darf man den Hauptnoten, sie mögen aus Viertheilen, Achttheilen, oder Sechzehntheilen bestehen, nichts an ihrer gehörigen Zeit durch Uebereilung abbrechen: damit man die durchgehenden Noten nicht anstatt der Hauptnoten höre, und sowohl die Melodie als die Harmonie nicht verdunkelt oder verstümmelt werde.

34. §.

Die Pausen erfodern ihr Zeitmaaß in eben solcher Richtigkeit, als die Noten selbst. Weil man aber hierbey keinen Klang höret, sondern die Zeit davon nur in Gedanken abmessen muß, so machen dieselben, besonders die kurzen, als Achttheil- Sechzehntheil- und Zwey und dreyßigtheil-Pausen, manchem viel zu schaffen. Wenn man sich aber die Hauptnoten in einem Stücke heimlich mit dem Fuße anmerket; und auf die Bewegung der übrigen Stimmen, ingleichen, ob die Noten, so nach den Pausen folgen, auf den Niederschlag oder auf das Aufheben des Fußes treffen, genau Achtung giebt, dabey aber sich nur nicht übereilet: so kann diese Schwierigkeit sehr leicht gehoben werden.

[256]
35. §.

Soll ein Stück eine gute Wirkung thun; so muß es nicht nur in dem ihm eigenen Zeitmaaße, sondern auch, vom Anfange bis zum Ende, in einerley Tempo, nicht aber bald langsamer bald geschwinder gespielet werden. Daß aber hierwider sehr oft gehandelt werde, zeiget die tägliche Erfahrung. Langsamer oder geschwinder aufzuhören als man angefangen hat, ist beydes ein Fehler: doch ist das letztere nicht so übel als das erstere. Jenes verursachet, absonderlich bey einem Adagio, daß man oftmals nicht mehr recht begreifen kann, ob es im geraden oder ungeraden Tacte gesetzet sey. Hierdurch nun verlischt die Melodie nach und nach; und man höret, an deren statt, fast nichts als harmonische Klänge. Dieses aber verursachet den Zuhörern nicht allein nur gar wenig Vergnügen; sondern es gereichet auch der Composition selbst überhaupt zum größten Nachtheile, wenn nicht ein jedes Stück in seinem gehörigen Tempo gespielet wird. Bisweilen liegt es an dem Concertisten: wenn er entweder in einem geschwinden Stücke die leichten Passagien übereilet, und alsdenn mit den schwerern nicht fortkommen kann, oder wenn er in einem traurigen Stücke sich in den Affect so sehr vertiefet, daß er darüber des Zeitmaaßes vergißt. Oftmals aber sind auch die Begleiter an der Beränderung des Tempo schuld; wenn sie entweder, nicht nur in einem traurigen Stücke, sondern auch wohl in einem cantabeln Andante oder Allegretto, in eine Schläfrigkeit verfallen, und darüber dem Concertisten zu viel nachgeben; oder wenn sie in einem geschwinden Stücke in ein allzuheftiges Feuer gerathen, welches sie zum Eilen verleitet. Einem guten Anführer, wenn er anders die gehörige Aufmerksamkeit hat, wird es leicht seyn, alle diese Fehler zu vermeiden; und sowohl den Concertisten, wenn derselbe im Tacte nicht recht sicher ist, als auch die Ripienisten, in Ordnung zu erhalten.

36. §.

Die Accompagnisten müssen aber nicht verlangen, daß der Concertist sich in Ansehung der Geschwindigkeit oder Langsamkeit, in welcher er das Tempo eines Stückes zu nehmem hat, nach ihnen richten solle: sondern sie müssen ihm völlige Freyheit gönnen, sein Tempo so zu fassen, wie er es für gut befindet. Zu der Zeit sind sie nur Begleiter. Es würde ein Zeichen eines unanständigen Bauernstolzes seyn, wenn zuweilen, auch wohl gar einige von den letzten unter den Accompagnisten, sich der Herrschaft über das Zeitmaaß anmaßen, und, zumal wenn sie nicht viel [257] Lust mehr zu spielen haben, das Tempo, dem Concertisten zum Trotz, überjagen wollten. Wird man aber gewahr daß das Zeitmaaß entweder geschwinder oder langsamer seyn soll, und eine Aenderung nöthig ist; so muß solches nicht mit einer Heftigkeit, und auf einmal, sondern nach und nach geschehen: weil sonst leicht eine Anordnung daraus entstehen kann.

37. §.

Weil die Art ein Adagio zu spielen erfodert, daß der Concertist sich von den begleitenden Stimmen vielmehr schleppen lasse, als daß er ihnen voraus gehe, und es also öfters den Schein hat, als wolle er das Stück langsamer haben: so müssen die Accompagnisten sich nicht dadurch verführen lassen, sondern das Tempo fest halten, und nicht nachgeben: es wäre denn daß[WS 9] der Concertist deswegen ein Zeichen gäbe. Widrigenfalls würde man zuletzt in eine Schläfrigkeit verfallen.

38. §.

Wenn im Allegro ein Ritornell mit Lebhaftigkeit gespielet worden ist; so muß dieselbe Lebhaftigkeit mit dem Accompagnement, bis ans Ende des Stückes, beständig unterhalten werden. Man hat sich gleichfalls nicht an den Concertisten zu kehren, im Fall er denselben Hauptsatz vielleicht cantabel und schmeichelnd vortrüge.

39. §.

Wenn in einem langsamen Stücke solche Noten, s. Tab. XXIII. Fig. 9. im Unison vorkommen, so kann es leicht geschehen, daß man sich wegen der Triller zu lange aufhält, und das Zeitmaaß verrücket. Um dieses zu vermeiden, muß man eine solche Figur, in Gedanken, in zween gleiche Theile theilen, und unter dem Puncte sich eine Gegenbewegung vorstellen.

40. §.

Daß die geschwindesten Noten in einem jeden Stücke von mäßigem Tempo ein wenig ungleich gespielet werden müssen, so daß man die anschlagenden, oder Hauptnoten in einer Figur, nämlich die erste, dritte, fünfte, und siebente etwas länger anhalte, als die durchgehenden, nämlich die zweyte, vierte, sechste, und achte; ist im 12. §. des XI. Hauptstücks erkläret worden: ich habe auch daselbst einige Ausnahmen von dieser Regel beygebracht, worauf ich mich also hier beziehe.

[258]
41. §.

Wenn in einem Ritornell die letzte Note ein halber Tact ist, und darauf eine Pause von einem andern halben Tacte folget; das Solo aber erst im folgenden Tacte anfängt: so muß die Endigungsnote des Ritornells nicht zu kurz abgebrochen werden. Wenn das Ritornell im Niederschlage, das folgende Solo aber im Aufschlage des Tactes, mit einem neuen Gedanken, es sey durch ein Viertheil oder Achttheil, anfängt, welches die Accompagnisten nicht allemal wissen können; so thut der Concertist wohl, wenn er nach der Strenge des Tactes anfängt, und den Niederschlag markiret: damit keine Unordnung entstehen möge.

42. §.

Weil ein geschwindes Stück von allen zugleich, und in einerley Geschwindigkeit angefangen werden muß: so ist nöthig, daß ein jeder von seiner Stimme den ersten Tact ins Gedächtniß fasse; damit er auf den Anführer sehen, und mit ihm zugleich das Tempo recht ergreifen könne. Dieses ist besonders in einem Orchester, oder sonst an einem großen Orte, wo das Accompagnement zahlreich ist, und die Spielenden von einander entfernet, nöthig. Denn weil der Ton in der Ferne später gehöret wird, als in der Nähe; und man sich also nicht so wie an einem kleinen Orte nach dem Gehöre richten kann: so muß man, nicht allein im Anfange, sondern auch öfters bey weiterem Fortgange des Spielens, sofern sich etwa eine kleine Unordnung eräugnen sollte, das Gesicht mit zu Hülfe nehmen, und öfters auf den Anführer blicken. Wer etwas von der Violine versteht, wird sich am besten und sichersten nach des Anführers Bogenstriche richten können. Könnten aber nicht alle Accompagnisten den Anführer sehen, oder hören: so hat sich in diesem Falle, ein jeder nach seinem Nachbar, von des Anführers Seite her, zu richten, um in einerley Tempo zu bleiben.

43. §.

Wie lange man nach einer Fermate, oder Generalpause, welche durch einen Bogen, mit einem Puncte, über eine Note oder Pause angedeutet wird, innehalten solle; ist eigentlich keine gewisse Regel gegeben. Bey einem Solo, welches nur unter zwo oder drey Personen gespielet wird, verursachet diese Ungewißheit wenig Nachtheil, bey einem zahlreichen Accompagnement aber, desto mehr. Nach einer kleinen Stille, müssen alle Stimmen, eben sowohl, wie es beym Anfange eines Stückes erfodert wird, zugleich wieder mit einander anfangen. Geschieht [259] dieses nicht von allen recht genau: so wird der Entzweck der Ueberraschung, so man hier nach einer kleinen Ruhe erwartet, nicht erreichet. Ich will versuchen, eine aus den verschiedenen Tactarten hergeleitete Regel, die nur an wenigen Orten eine Ausnahme leiden dürfte, fest zu setzen, und vorzuschlagen, nämlich: Bey allen Tripeltacten, wie auch im Allabreve- und im Zweyviertheil-Tacte pausire man, außer dem Tacte worüber das Ruhezeichen steht, noch einen Tact mehr. Im gemeinen geraden Tacte hingegen, richte man sich nach den Einschnitten, ob solche in das Aufheben oder in das Niederschlagen des Tacts fallen. Bey den erstern kann man noch einen halben; bey den letztern aber noch einen ganzen Tact mehr pausiren: und dieses wird, wie ich glaube, genug, und der Absicht des Componisten gemäß seyn. Eine allgemeine Beobachtung dieser Regel würde machen, daß man, um zugleich mit einander wieder anfangen zu können, keines weitern Erinnerns mehr bedürfte. Sofern die Fermate unter der concertirenden Stimme vorkömmt, und der Concertist dabey eine Manier machet, welche er mit einem langen Triller endiget, so müssen die begleitenden Stimmen ihre Noten nicht eher verlassen, bis der Triller geendiget ist; oder sie müssen dieselben zum wenigsten, bey Endigung des Trillers, noch einmal wiederholen. Dieses ist besonders zu beobachten wenn die Grundnote zweyerley Accorde über sich hat, und die Resolution durch den Triller verzögert wird. Hierauf können sie noch so lange pausiren, wie oben gemeldet worden.

44. §.

Bey Endigung einer Hauptcadenz, wenn das folgende Tutti im Niederschlage anfängt, thun die Accompagnisten wohl, wenn sie, absonderlich bey Begleitung einer Singstimme oder eines Blasinstruments, aus Discretion, nicht bis zum äußersten Ende des Trillers warten, sondern denselben so zu sagen unterbrechen; und lieber vor der Zeit, als zu spät, in das Tutti einfallen. Denn sowohl einem Sänger, als Blasinstrumentisten, kann es zuletzt leichtlich an Athem fehlen: und wenn dieses geschähe, so würde das Feuer der Ausführung dadurch unterbrochen werden. Fängt aber das Tutti im Aufheben des Tactes, und noch unter dem Triller an; so ist es nicht mehr eine Discretion, sondern eine Schuldigkeit, den Triller zu unterbrechen. Ueberhaupt aber muß man sich hierbey nach dem Concertisten, und nach der Stärke seiner Brust richten. Einige Sänger und Instrumentisten, welche gute Lungen haben, suchen durch lange Triller nach der Cadenz, noch eine besondere Bravur zu zeigen: [260] man darf ihnen also daran nicht hinderlich seyn. Das unterbrechen des Trillers muß also in beyden Fällen nicht eher geschehen, als bis man wahrnimmt, daß der Triller anfängt matt zu werden. Der Anführer wird hierauf besonders Achtung geben: und also ist auch hierbey der Accompagnisten Schuldigkeit, die Augen auf ihn zu wenden, und sich mit seinem Bogenstriche zu vereinigen.

45. §.

Nachdem ich nun bisher von dem Zeitmaaße überhaupt gehandelt, und was dabey zu beobachten ist, angemerket habe; so befinde ich noch für nöthig, eine Idee zu geben, wie man, bey einem jeden Stücke insbesondere, das ihm eigene Tempo ohngefähr errathen könne. Es ist zwar dieses Errathen des Zeitmaaßes nicht eines der leichtesten Dinge in der Musik: desto nötiger aber wäre es, deswegen, so viel als möglich ist, einige gewisse Regeln fest zu setzen. Wer da weis, wie viel an dem rechten Zeitmaaße, so ein jedes Stück erfodert, gelegen ist, und was für große Fehler hierinne vorgehen können; der wird an dieser Notwendigkeit nicht zweifeln. Hätte man hierinne gewisse Regeln, und wollte dieselben gehörig beobachten, so würde manches Stück, welches öfters durch das unrechte Zeitmaaß verstümmelt wird, eine bessere Wirkung thun, und seinem Erfinder mehr Ehre machen, als vielmals geschieht. Zugeschweigen daß dadurch ein Componist, in Abwesenheit, sein verlangtes Tempo, einem andern der seine Composition aufführen soll, leichter schriftlich mittheilen könnte. Bey großen Musiken giebt es die Erfahrung, daß zu Anfang eines Stücks, nicht allezeit das Tempo von einem jeden so gefasset wird, wie es seyn soll: sondern daß zuweilen wohl ein, oder mehr Tacte vorbeygehen, bevor alle mit einander einig werden. Wüßte sich nun ein jeder das gehörige Zeitmaaß zum wenigsten einiger maaßen vorzustellen; so würden viele Unordnungen, und unannehmliche Aenderungen des Zeitmaaßes, leicht können vermieden werden. Man würde, wenn man von jemanden ein Stück hat spielen hören, sich das Tempo desselben, desto leichter merken, und das Stück, zu einer andern Zeit, in eben demselben Tempo nachspielen können. Man mache, um von der Nothwendigkeit solcher gewissen Regeln noch mehr überzeuget zu werden, die Probe, und spiele zum Exempel ein Adagio, ein- zwey- drey- oder viermal langsamer, als es seyn soll. Wird man nicht finden, daß die Melodie nach und nach verlöschen, und man endlich nichts mehr als nur harmonische Klänge hören wird? Bey einem Allegro, welches mit besonderm [261] Feuer gespielet werden soll, wird einem, wenn man es um so viel langsamer spielet, als es seyn soll, endlich gewiß die Lust zu schlafen ankommen.

46. §.

Man ist zwar schon, seit langer Zeit, ein, zu gewisser Treffung des Zeitmaaßes, dienliches Mittel auszufinden bemühet gewesen. Loulié hat in seinen Elements ou Principes de Musique, mis dans un nouvel ordre &c. a Paris, 1698, den Abriß einer Maschine, die er Chronometre nennet, mitgetheilet. Ich habe diesen Abriß nicht können zu sehen bekommen, und kann also meine Gedanken nicht völlig darüber eröfnen. Inzwischen wird diese Maschine doch schwerlich von einem jeden immer bey sich geführet werden können: zugeschweigen, daß die fast allgemeine Vergessenheit derselben, da sie, so viel man weis, niemand sich zu Nutzen gemacht hat, schon einen Verdacht, wider ihre Zulänglichkeit und Tüchtigkeit, erreget.

47. §.

Das Mittel welches ich zur Richtschnur des Zeitmaaßes am dienlichsten befinde, ist um so viel bequemer, je weniger Mühe es kostet, desselben habhaft zu werden; weil es ein jeder immer bey sich hat. Es ist der Pulsschlag an der Hand eines gesunden Menschen. Ich will mich bemühen, eine Anleitung zu geben, wie man, wenn man sich nach ihm richtet, eine jede sich von den andern besonders unterscheidende Art des Zeitmaaßes, ohne große Schwierigkeit finden könne. Ich kann mich zwar nicht ganz und gar rühmen, der erste zu seyn, der auf dieses Mittel gefallen wäre: so viel ist aber auch gewiß, daß sich noch niemand die Mühe gegeben hat, die Anwendung desselben deutlich und ausführlich zu beschreiben, und zum Gebrauche der itzigen Musik bequem zu machen. Ich thue das letztere also mit desto größerer Sicherheit, da ich in Ansehung der Hauptsache, wie mir nachher erst bekannt worden, nicht der einzige bin, der auf diese Gedanken gerathen ist.

48. §.

Ich verlange nicht, daß man ein ganzes Stück nach dem Pulsschlage abmessen solle; denn dieses wäre ungereimt und unmöglich: sondern meine Absicht geht nur dahin, zu zeigen, wie man zum wenigsten durch zween oder vier, sechs oder acht Pulsschläge, ein jedes Zeitmaaß, so man verlanget, fassen, und vor sich, eine Erkenntniß der verschiedenen Arten desselben, erlangen, und daher zu weiterm Nachforschen Anlaß [262] nehmen könne. Hat man sich eine Zeitlang darinne geübet: so wird sich nach und nach dem Gemüthe eine solche Idee von dem Zeitmaaße eindrücken, daß man nicht ferner nöthig haben wird, allezeit den Pulsschlag zu Rathe zu ziehen.

49. §.

Ehe ich weiter gehe, muß ich vorher diese unterschiedenen Arten des Zeitmaaßes etwas genauer untersuchen. Es giebt zwar derselben in der Musik so vielerley, daß es nicht möglich seyn würde, sie alle zu bestimmen. Es giebt aber auch gewisse Hauptarten davon, woraus die übrigen hergeleitet werden können. Ich will solche, so wie sie in Concerten, Trio und Solo vorkommen, in vier Classen eintheilen, und zum Grunde setzen. Sie sind aus den gemeinen geraden oder Vierviertheiltacte genommen, und sind folgende: 1. das Allegro assai, 2. das Allegretto, 3. das Adagio cantabile, 4. das Adagio assai. Zu der ersten Classe rechne ich: das Allegro di molto, das Presto u.s.w. Zu der zweyten: das Allegro ma non tanto, non troppo, non presto, moderato. u.s.w. Der dritten Classe zähle ich zu: das Cantabile, Arioso, Larghetto, Soave, Dolce, Poco andante, Affettuoso, Pomposo, Maestoso, alla Siciliana, Adagio spiritoso, u.d.g. Zur vierten gehören: Adagio pesante, Lento, Largo assai, Mesto, Grave, u.s.w. Diese Beywörter machen zwar unter sich selbst wieder jedes einigen Unterschied; doch geht derselbe mehr auf den Ausdruck der Leidenschaften, die in einem Stücke vornehmlich herrschen, als auf das Zeitmaaß selbst. Wenn man nur erst die vorhergemeldeten vier Hauptarten des Tempo recht in den Sinn gefasset hat; so wird man die übrigen mit der Zeit desto leichter treffen lernen: weil der Unterschied nur ein weniges beträgt.

50. §.

Das Allegro assai ist also, von diesen vier Hauptarten des Tempo, das geschwindeste[4]. Das Allegretto ist noch einmal so langsam als jenes. Das Adagio cantabile ist noch einmal so langsam als das Allegretto; und das Adagio assai noch einmal so langsam als das Adagio cantabile. Im Allegro assai bestehen die Passagien aus Sechzehntheilen oder eingeschwänzten Triolen; und im Allegretto aus Zwey und dreyßigtheilen oder zweygeschwänzten Triolen. Weil aber die itzt angeführten Passagien mehrentheils in einerley Geschwindigkeit gespielet werden müssen, sie mögen zwey- oder dreygeschwänzet seyn: so folget daraus, [263] daß die Noten von einerley Geltung in dem einen noch einmal so geschwinde kommen, als in dem andern. Im Allabrevetacte, welchen die Welschen: Tempo maggiore nennen, und welcher, es sey das Zeitmaaß langsam oder geschwinde, allezeit mit einem durchgestrichenen großen C angedeutet wird, hat es gleiche Bewandtniß: nur daß alle Noten in demselben noch einmal so geschwind genommen werden, als im gemeinen geraden Tacte: Das Tempo mag langsam oder geschwind seyn. Die geschwinden Passagien im Allegro assai, werden also in dieser Tactart in Achttheilen geschrieben, und so gespielet als wie die aus Sechzehntheilen bestehenden Passagien des Allegro assai, im gemeinen geraden Tacte oder Tempo minore, u. s. w. Wie nun das Allegro im geraden Tacte zwo Hauptarten des Tempo hat, nämlich ein geschwindes und ein gemäßigtes: so ist es auch auf gleiche Art mit dem Tripeltacte als: Dreyviertheil- Dreyachttheil- Sechsachttheil- Zwölfachttheiltacte, u.s.w. beschaffen. Z. E. Wenn im Dreyviertheiltacte nur Achttheile, im Dreyachttheiltacte nur Sechzehntheile, oder im Sechsachttheil- oder Zwölfachttheiltacte nur Achttheile vorkommen; so ist solches das geschwindeste Tempo. Sind aber im Dreyviertheiltacte Sechzehntheile, oder eingeschwänzte Triolen; im Dreyachttheiltacte Zwey und[WS 10] dreyßigtheile oder zweygeschwänzte Triolen; hingegen im Sechsachttheil- oder Zwölfachttheiltacte Sechzehntheile zu befinden: so ist solches das gemäßigte Tempo, welches noch einmal so langsam gespielet werden muß, als das vorige. Mit dem Adagio hat es, wenn man nur, die zu Anfang dieses §. angedeuteten Grade der Langsamkeit beobachtet, und auf die Tactart, ob es Allabreve- oder gemeiner Tact ist, Acht hat, in diesem Stücke weiter keine andere Schwierigkeit.


51. §.

Um nun auf die Hauptsache zu kommen, nämlich, wie jede von den angeführten Arten des Tactes, durch Vermittelung des Pulsschlages, [264] in ihr gehöriges Zeitmaaß gebracht werden kann, so ist zu merken: daß man vor allen Dingen, so wohl das zu Anfange des Stücks geschriebene, das Zeitmaaß andeutende, Wort; als auch die geschwindesten Noten, woraus die Passagien bestehen, betrachten müsse. Weil man nun mehr als acht ganz geschwinde Noten, nicht wohl, es sey mit der Doppelzunge, oder mit dem Bogenstriche, in der Zeit eines Pulsschlages ausüben kann, so kömmt:

 Im gemeinen geraden Tacte:

In einem Allegro assai, auf jeden halben Tact, die Zeit eines Pulsschlages;
In einem Allegretto, auf ein jedes Viertheil, ein Pulsschlag;
Und in einem Adagio assai, auf jedes Achttheil zweene Pulsschläge.

 Im Allabrevetacte, kömmt:

In einem Allegro, auf jeden Tact ein Pulsschlag,
In einem Allegretto, auf jeden halben Tact ein Pulsschlag;
In einem Adagio cantabile auf ein jedes Viertheil ein Pulsschlag;
In einem Adagio assai, auf ein jedes Viertheil zweene Pulsschläge.

Es giebt, vornehmlich im gemeinen geraden Tacte, eine Art von gemäßigtem Allegro, welche gleichsam zwischen dem Allegro assai und dem Allegretto das Mittel ist. Sie kömmt öfters in Singsachen, auch bey solchen Instrumenten vor, welche die große Geschwindigkeit in den Passagien nicht vertragen; und wird mehrentheils durch Poco allegro, Vivace, oder mehrentheils nur Allegro allein, angedeutet. Hier kömmt auf drey Achttheile ein Pulsschlag; und der zweyte Pulsschlag fällt auf das vierte Achttheil.

Im Zweyviertheil- oder geschwinden Sechsachttheiltacte, kömmt in einem Allegro auf einen jeden Tact ein Pulsschlag.
In einem Allegro im Zwölfachttheiltacte, wenn keine Sechzehntheile vorkommen, treffen auf jeden Tact zweene Pulsschläge.
Im Dreyviertheiltacte, kann man, wenn das Stück allegro geht, und die Passagien darinnen aus Sechzehntheilen oder eingeschwänzten Triolen bestehen, in einem Tacte, mit dem Pulsschlage kein gewisses Tempo fest setzen. Will man aber zweene Tacte zusammen nehmen, so geht es an; und kömmt alsdenn auf das erste und dritte Viertheil des ersten Tacts, und auf das zweyte Viertheil des andern Tacts, auf jedes ein

[265] Pulsschlag; folglich drey Pulsschläge auf sechs Viertheile. Gleiche Bewandtniß hat es mit dem Neunachttheiltacte.

Sowohl im ganz geschwinden Dreyviertheil- als Dreyachttheiltacte, wo in den Passagien nur sechs geschwinde Noten, in jedem Tacte, vorkommen, trifft auf jeden Tact ein Pulsschlag. Es darf aber dennoch kein Stück seyn welches Presto seyn soll: sonst würde der Tact um zwo geschwinde Noten zu langsam. Will man aber wissen, wie geschwind diese drey Viertheile oder drey Achttheile in einem Presto seyn müssen; so nehme man das Zeitmaaß nach dem geschwinden Zweyviertheiltacte, allwo vier Achttheile auf einen Pulsschlag kommen; und spiele diese drey Viertheile oder Achttheile eben so geschwinde, als die Achttheile in gemeldetem Zweyviertheiltacte: alsdenn werden die geschwinden Noten, in beyden oben erwähnten Tactarten, ihr gehöriges Zeitmaaß bekommen.

In einem Adagio cantabile im Dreyviertheiltacte, da die Bewegung der Grundstimme aus Achttheilen besteht, kömmt auf ein jedes Achttheil ein Pulsschlag. Besteht aber die Bewegung nur aus Viertheilen, und der Gesang ist mehr arios als traurig; so kömmt auf ein jedes Viertheil ein Pulsschlag. Doch muß man sich hierinne auch, sowohl nach der Tonart, als nach dem vorgeschriebenen Worte richten. Denn wenn es ein Adagio assai, Mesto, oder Lento ist, so kommen auch hier zweene Pulsschläge auf jedes Viertheil.
In einem Arioso im Dreyachttheiltacte, kömmt auf jedes Achttheil ein Pulsschlag.
Ein alla Siciliana im Zwölfachttheiltacte würde zu langsam seyn, wenn man zu jedem Achttheile einen Pulsschlag zählen wollte. Wenn man aber zweene Pulsschläge in drey Theile theilet; so kömmt sowohl auf das erste als dritte Achttheil ein Pulsschlag. Hat man nun diese drey Noten eingetheilet; so muß man sich nicht weiter an die Bewegung des Pulses kehren; sonst würde das dritte Achttheil zu lang werden.
Wenn in einem geschwinden Stücke die Passagien aus lauter Triolen bestehen, und keine zwey- oder dreygeschwänzten gleichen Noten untermischet sind: so kann dasselbe, nach Belieben, etwas geschwinder als der Pulsschlag geht, gespielet werden. Dieses ist besonders bey dem geschwinden Sechsachttheil- Neunachttheil- und Zwölfachttheiltacte, zu beobachten.
[266]
52. §.

Was ich bisher gezeiget habe, trifft, wie schon oben gesaget worden, am genauesten und am allermeisten bey den Instrumentalstücken, als Concerten, Trio und Solo ein. Was die Arien im italiänischen Geschmacke anbelanget; so ist zwar wahr, daß fast eine jede von ihnen ihr besonderes Tempo verlanget. Es fließt doch aber solches mehrentheils aus den hier angeführten vier Hauptarten des Zeitmaaßes: und kömmt es nur darauf an, daß man sowohl auf den Sinn der Worte, als auf die Bewegung der Noten, besonders aber der geschwindesten, Achtung gebe: und daß man bey geschwinden Arien, auf die Fertigkeit und die Stimmen der Sänger sein Augenmerk richte. Ein Sänger der die geschwinden Passagien alle mit der Brust stößt, kann dieselben schwerlich in solcher Geschwindigkeit herausbringen, als einer der sie nur in der Gurgel markiret, ohnerachtet der erstere vor dem letztern, absonderlich an großen Orten, wegen der Deutlichkeit, immer einen Vorzug behält. Wenn man also nur ein wenig Erfahrung darinne hat, und weis, daß überhaupt die meisten Arien nicht ein so gar geschwindes Tempo verlangen, als die Instrumentalstücke, so wird man das gehörige Zeitmaaß davon, ohne weitere besondere Schwierigkeiten, rteffen können.

53. §.

Mit einer Kirchenmusik hat es eben dieselbe Bewandtniß, wie mit den Arien: ausgenommen daß sowohl der Vortrag bey der Ausführung, als das Zeitmaaß, wenn es anders kirchenmäßig seyn soll, etwas gemäßigter als im Opernstyl genommen werden muß.

54. §.

Auf die bisher betriebene Weise nun, kann man nicht allein jede Note in ihr gehöriges Zeitmaaß eintheilen lernen, sondern man kann auch dadurch, von jedem Stücke, das rechte Tempo, so wie es der Componist verlanget, mehrentheils errathen: wenn man nur damit eine lange und vielfältige Erfahrung zu verknüpfen suchen wird.

55. §.

Ich muß noch etliche Einwürfe im Voraus beantworten, die man wider meine angeführte Art das Tempo zu errathen, vielleicht machen könnte. Man könnte einwenden, daß der Pulsschlag, weder zu einer jeden Stunde des Tages, noch bey einem jeden Menschen, allezeit in einerley Geschwindigkeit gehe, wie es doch erfodert würde, um das Zeitmaaß in der Musik richtig darnach zu fassen. Man wird sagen, daß der Puls [267] des Morgens vor der Mahlzeit langsamer, als Nachmittags nach der Mahlzeit, und des Nachts noch geschwinder als Nachmittags schlage: auch daß er bey einem zur Traurigkeit geneigten Menschen langsamer, als bey einem heftigen und lustigen, gehe. Es kann seyn daß dieses seine Richtigkeit hat. Dem ungeachtet aber könnte man auch dießfalls etwas gewisses bestimmen. Man nehme den Pulsschlag, wie er nach der Mittagsmahlzeit bis Abends, und zwar bey einem lustigen und aufgeräumten, doch dabey etwas hitzigen und flüchtigen Menschen, oder, wenn es so zu reden erlaubet ist, bey einem Menschen von cholerisch-sanguinischem Temperamente geht, zum Grunde: so wird man den rechten getroffen haben. Ein niedergeschlagener, oder trauriger, oder kaltsinniger und träger Mensch, könnte allenfalls bey einem jeden Stücke das Zeitmaaß etwas lebhafter fassen, als sein Puls geht. Ist dieses nicht hinreichend, so will ich noch was genauers bestimmen. Man setze denjenigen Puls, welcher in einer Minute ohngefähr achtzigmal schlägt, zur Richtschnur. Achtzig Pulsschläge, im geschwindesten Tempo des gemeinen geraden Tacts, machen vierzig Tacte aus. Einige wenige Pulsschläge mehr, oder weniger, machen hierbey keinen Unterschied. Z. E. Fünf Pulsschläge in einer Minute mehr, oder fünfe weniger, verlängern oder verkürzen, in vierzig Tacten, jeden Tact um ein Sechzehntheil. Dieses aber beträgt so was geringes, daß es unmöglich zu merken ist. Wessen Pulsschlag nun in einer Minute viel mehr oder weniger Schläge macht, als achtzig, der weis, wie er sich, sowohl in Ansehung der Verminderung als der Vermehrung der Geschwindigkeit, zu verhalten hat. Gesetzt aber auch, daß mein vorgeschlagenes Mittel, dem allen ungeachtet, nicht ganz und gar für allgemein ausgegeben werden könnte, ob ich es gleich theils durch meinen eigenen Pulsschlag, theils durch vielfältige andere Proben, die ich sowohl bey meiner eigenen, als bey fremder Composition, und zwar mit unterschiedenen Leuten angestellet habe, beweisen wollte: so wird es doch darzu dienen, daß niemand, der sich nach der angeführten Methode, vor sich, von den vier Hauptarten des Zeitmaaßes einen Begriff[WS 11] gemacht hat, von dem wahren Tempo eines jeden Stücks allzuweit abweichen wird. Man sieht ja täglich vor Augen, wie sehr öfters das Zeitmaaß gemishandelt wird, wie man nicht selten, eben dasselbe Stück bald mäßig, bald geschwind, bald noch geschwinder spielet. Man weis, daß an vielen Orten, wo man nur auf das Gerathewohl los spielet, öfters aus einem Presto ein Allegretto, und aus einem Adagio ein Andante gemachet [268] wird: welches doch dem Componisten, welcher nicht allezeit zugegen seyn kann, zum größten Nachtheile gereichet. Es ist zur Gnüge bekannt, daß wenn ein Stück ein- oder mehrmal nach einander wiederholet wird, absonderlich wenn es ein geschwindes, z. E. ein Allegro aus einem Concert, oder einer Sinfonie, ist, daß man dasselbe, um die Zuhörer nicht einzuschläfern, zum zweytenmale etwas geschwinder spielet, als das erstemal. Geschähe dieses nicht; so würden die Zuhörer glauben, das Stück sey noch nicht zu Ende. Wird es aber in einem etwas geschwindern Tempo wiederholet, so bekömmt das Stück dadurch ein lebhafteres, und, so zu sagen, ein neues oder fremdes Ansehen; welches die Zuhörer in eine neue Aufmerksamkeit versetzet. Gereicht nun diese Gewohnheit dem Stücke nicht zum Nachtheile; zumal da sie bey guten und mittelmäßigen Ausführern hergebracht ist, und bey beyden gleich gute Wirkung thut: so würde es auch nicht schädlich seyn, wenn allenfalls ein trauriger Mensch, der Mischung seines Blutes gemäß, ein Stück zwar mäßig geschwinder, nur aber gut spielete; und ein flüchtiger Mensch nähme es mit mehrerer Lebhaftigkeit. Im übrigen aber, woferne jemand noch ein leichteres, richtigeres, und bequemeres Mittel das Zeitmaaß zu erlernen, und zu treffen, ausfinden könnte; so würde er wohl thun, wenn er nicht säumete, es der Welt bekannt zu machen.

56. §.

Ich will die Art, das Tempo nach Anleitung des Pulsschlages zu treffen, noch auf die französische Tanzmusik, von welcher ich auch etwas zu handeln für nöthig finde, anzuwenden suchen. Diese Art der Musik besteht mehrentheils aus gewissen Charakteren; ein jeder Charakter aber erfodert sein eigenes Tempo: weil diese Art von Musik nicht so willkührlich als die italiänische, sondern sehr eingeschränket ist. Könnten nun sowohl die Tänzer, als das Orchester, allezeit einerley Tempo fassen; so würden sie vieles Verdrusses überhoben seyn können. Es ist bekannt, daß die meisten Tänzer wenig oder nichts von der Musik verstehen, und oftmals das rechte Zeitmaaß selbst nicht wissen; sondern sich mehrentheils nur nach der Fassung, in welcher sie stehen, oder nach ihren Kräften richten. Die Erfahrung lehret auch, daß die Tänzer, bey den Proben, wenn solche des Morgens geschehen, da sie noch nüchtern sind, und mit kaltem Blute tanzen, selten das Zeitmaaß so lebhaft verlangen, als bey der Ausführung, welche ordentlicher Weise des Abends vor sich geht; da sie denn, theils wegen der guten Nahrung die sie vorher zu sich [269] genommen haben, theils wegen Menge der Zuschauer, und aus Ehrgeitz, in eine größer Feuer gerathen, als bey der Probe. Hierdurch können sie nun leichtlich die Sicherheit in den Knieen verlieren; und wenn sie eine Sarabande oder Loure tanzen, wo bisweilen nur ein gebeugtes Knie den ganzen Körper allein tragen muß, so scheint ihnen das Tempo oftmals zu langsam zu seyn. Zugeschweigen, daß die französische Tanzmusik, wenn solche zwischen einer guten italiänischen Oper gehöret wird, sehr abfällt, mager klingt, und nicht die Wirkung thut, als in einer Comödie, wo man nichts anders dagegen höret. Deswegen entsteht oftmahls viel Streit zwischen den Tänzern und dem Orchester: weil die erstern glauben, daß die letztern entweder nicht im rechten Tempo spieleten, oder ihre Musik nicht so gut ausführeten, als die italiänische. Es ist zwar nicht zu läugnen, daß die französische Tanzmusik nicht so leicht zu spielen ist, als sich Mancher einbildet, und daß der Vortrag sich von der italiänischen Art sehr unterscheiden muß, so fern er jedem Charaktere gemäß seyn soll. Die Tanzmusik muß mehrentheils ernsthaft, mit einem schweren, doch kurzen und scharfen, mehr abgesetzten als geschleiften Bogenstriche, gespielet werden. Das Zärtlich und Cantable findet darinne nur selten statt. Die punctirten Noten werden schwer, die darauf folgenden aber sehr kurz und scharf gespielet. Die geschwinden Stücke müssen lustig, hüpfend, hebend, mit einem ganz kurzen, und immer durch einen Druck markirten Bogenstriche, vorgetragen werden: damit man den Tänzer beständig hebe und zum Springen anreize; dem Zuschauer aber, das, was der Tänzer vorstellen will, begreiflich und fühlbar mache. Denn der Tanz wirket ohne Musik eben soviel, als eine gemalete Speise.

57. §.

Wie nun aus die Richtigkeit des Zeitmaaßes bey allen Arten der Musik viel ankömmt: so muß dasselbe auch bey der Tanzmusik auf das genaueste beobachtet werden. Die Tänzer haben sich nicht nur mit dem Gehöre, sondern auch mit ihren Füßen und Leibesbewegungen darnach zu richten: und also ist leicht zu erachten, wie unangenehm es ihnen fallen müsse, wenn das Orchester in einem Stücke bald langsamer, bald geschwinder spielet. Sie müssen ihren ganzen Körper anstrengen, besonders wenn sie sich in hohe Sprünge einlassen: die Billigkeit erfodert also, daß sich das Orchester, so viel als möglich ist, nach ihnen bequeme, welches auch leicht geschehen kann, wenn man nur dann und wann auf das Niederfallen der Füße Achtung giebt.

[270]
58. §.

Es würde zu weitläuftig seyn, alle Charaktere, so im Tanzen vorkommen können, zu beschreiben, und ihr Zeitmaaß zu bemerken. Ich will also nur etliche wenige anführen, aus welchen die übrigen leicht werden zu begreifen seyn.

Wenn die Welschen, im geraden Tacte, durch das große C, so ihn andeutet, einen Strich machen; so zeiget solcher, wie bekannt, den Allabrevetact an. Die Franzosen bedienen sich dieser Tactart zu verschiedenen Charakteren, als: Bourreen, Entreen, Rigaudons, Gavotten, Rondeaus, u.s.w. Sie schreiben aber anstatt des durchgestrichenen C eine große 2. welche ebenfalls bedeutet, daß die Noten noch einmal so geschwind gespielet werden müssen, als sonst. In dieser Tactart sowohl als im Dreyviertheiltacte, bey der Loure, Sarabande, Courante, und Chaconne, müssen die Achttheile, so auf punctirte Viertheile folgen, nicht nach ihrer eigentlichen Geltung, sondern sehr kurz und scharf gespielet werden. Die Note mit dem Puncte wird mit Nachdruck markiret, und unter dem Punkte der Bogen abgesetzet. Eben so verfährt man mit allen punctirten Noten, wenn es anders die Zeit leidet: und soferne nach einem Puncte oder einer Pause drey oder mehr dreygeschwänzte Noten folgen; so werden solche, besonders in langsamen Stücken, nicht allemal nach ihrer Geltung, sondern am äußersten Ende der ihnen bestimmten Zeit, und in der größten Geschwindigkeit gespielet; wie solches in Ouvertüren, Entreen, und Furien öfters vorkömmt. Es muß aber jede von diesen geschwinden Noten ihren besonderen Bogenstrich bekommen: und findet das Schleifen wenig statt.

Die Entree, die Loure, und die Courante, werden prächtig gespielet; und der Bogen wird bey jedem Viertheile, es sey mit oder ohne Punct, abgesetzet. Auf jedes Viertheil kömmt ein Pulsschlag.
Eine Sarabande hat eben dieselbe Bewegung; wird aber mit einem etwas annehmlichern Vortrage gespielet.
Eine Chaconne wird gleichfalls prächtig gespielet. Ein Pulsschlag nimmt dabey zweene Viertheile ein.
Eine Passecaille ist der vorigen gleich; wird aber fast ein wenig geschwinder gespielet.
Eine Musette wird sehr schmeichelnd vorgetragen. Auf jedes Viertheil im Dreyviertheiltacte, oder auf jedes Achttheil im Dreyachttheiltacte kömmt ein Pulsschlag. Bisweilen wird sie nach der Phantasey

[271]

der Tänzer so geschwind gemacht, daß nur auf jeden Tact ein Pulsschlag kömmt.
Eine Furie wird mit vielem Feuer gespielet. Auf zweene Viertheile kömmt ein Pulsschlag; es sey im geraden oder im Dreyviertheiltacte; so ferne im letztern zweygeschwänzte Noten vorkommen.
Eine Bourree und ein Rigaudon werden lustig, und mit einem kurzen und leichten Bogenstriche ausgeführet. Auf jeden Tact kömmt ein Pulsschlag.
Eine Gavotte ist dem Rigaudon fast gleich; wird aber doch im Tempo um etwas gemäßiget.
Ein Rondeau wird etwas gelassen gespielet; und kömmt ohngefähr auf zweene Viertheile ein Pulsschlag; es sey im Allabreve- oder im Dreyviertheiltacte.
Die Gique und Canarie haben einerley Tempo. Wenn sie im Sechsachttheiltacte stehen, kömmt auf jeden Tact ein Pulsschlag. Die Gique wird mit einem kurzen und leichten Bogenstriche, die Canarie, welche immer aus punctirten Noten besteht, aber, mit einem kurzen und scharfen Bogenstriche gespielet.
Ein Menuet spiele man hebend, und markire die Viertheile mit einem etwas schweren, doch kurzen Bogenstriche; auf zweene Viertheile kömmt ein Pulsschlag.
Ein Passepied wird theils etwas leichter, theils etwas geschwinder gespielet, als der vorige. Hierinne geschieht es oft, daß zweene Tacte in einen geschrieben, und über die mittelste Note zweene Striche gesetzt werden; siehe Tab. XXIII. Fig. 10. im zweyten Tacte. Einige lassen diese zweene Tacte von einander abgesondert, und schreiben, anstatt des Viertheils mit den Strichen, zweene Achttheile, mit einem darüber stehenden Bogen: den Tactstrich aber setzen sie dazwischen. Im Spielen werden diese Noten auf einerley Art gemacht, nämlich, die zweene Viertheile kurz, und mit abgesetzetem Bogen; und zwar in dem Tempo als wenn es Dreyviertheiltact wäre.
Ein Tambourin wird wie eine Bourree oder Rigaudon gespielet, nur ein wenig geschwinder.
Ein Marsch wird ernsthaft gespielet. Wenn derselbe im Allabreve- oder Bourreentacte gesetzet ist; so kommen auf jeden Tact zweene Pulsschläge. u.s.w.

[272]
59. §.

In einem italiänischen Recitativ, bindet sich der Sänger nicht allemal an das Zeitmaaß, sondern hat die Freyheit, das was er vortragen soll, nach eigenem Gutbefinden, und nachdem es die Worte erfodern, langsam oder geschwind auszudrücken. Wenn nun die begleitenden Stimmen dabey ein Accompagnement von haltenden Noten auszuführen haben; so müssen sie den Sänger mehr nach dem Gehöre, und mit Discretion, als nach dem Tacte, accompagniren. Besteht aber das Accompagnement aus Noten die in das Zeitmaaß eingetheilet werden müssen: so ist hingegen der Sänger verbunden, sich nach den begleitenden Stimmen zu richten. Bisweilen wird das Accompagnement unterbrochen, so, daß der Sänger dennoch Freyheit bekömmt, nach Willkühr zu recitiren; und die begleitenden Stimmen fallen nur dann und wann ein, nämlich bey den Einschnitten, wenn der Sänger eine Periode geendiget hat. Hier müssen die Accompagnisten nicht warten, bis der Sänger die letzte Sylbe ausgesprochen hat, sondern sie müssen schon unter der vorletzten oder vorhaltenden Note einfallen, um die Lebhaftigkeit beständig zu unterhalten. Sofern aber die Violinen anstatt der Note im Niederschlage eine kurze Pause haben, und der Baß eine Note vorschlägt; so muß derselbe mit einer Sicherheit und Kraft einfallen; besonders bey den Cadenzen, denn hier kömmt es auf den Baß am meisten an. Dieser muß überhaupt bey allen Cadenzen des theatralischen Recitativs, es mag ein mit Violinen begleitetes, oder nur ein gemeines seyn, seine zwo Noten, welche mehrentheils aus einem fallenden Quintensprunge bestehen, unter der letzten Sylbe anfangen, und nicht zu langsam, sondern mit Lebhaftigkeit anschlagen. Der Clavierist thut dieses durch ein vollstimmiges Accompagnement; der Violoncellist und Contraviolonist aber durch einen kurzen Druck mit dem untersten Theile des Bogens; sie wiederholen den Strich, und nehmen beyde Noten rückwärts. Wenn in einem lebhaften Recitativ die begleitenden Stimmen, bey den Einschnitten, laufende oder sonst kurze Noten haben, welche präcipitant gespielet werden müssen: und im Niederschlage eine Pause vorher steht: s. Tab. XXIII. Fig. 11, so müssen auch hier die Accompagnisten nicht warten, bis der Sänger die letzte Sylbe völlig ausgesprochen hat, sondern schon unter der vorhaltenden Note anfangen: damit der feurige Affect beständig unterhalten werde. Nicht zu gedenken daß sie auf diese Art auch allezeit, zumal in einem weitläufigen Orchester, genauer zusammen [273] treffen werden, wenn ihnen die vorletzte Sylbe des Sängers zur Richtschnur dienet.

60. §.

Dieses ist es nun, was ich von den Pflichten der Ausführer der Ripienstimmen abzuhandeln, für nöthig erachtet habe. Man kann daraus abnehmen, daß es nicht so gar leicht sey, gut zu accompagniren; und daß von einem Orchester, wenn es anders vortrefflich seyn will, sehr viel gefodert werde. Da nun aber so viel von demselben verlanget wird: so liegt es auch wieder, von der andern Seite, den Componisten ob, ihre Compositionen so einzurichten, daß ein gut Orchester damit auch Ehre einlegen könne. Manche Composition ist entweder so trocken, oder so bizarr, schwer, und unnatürlich, daß auch das beste Orchester, ungeachtet aller Mühe, Fleißes, und guten Willens, keine gute Wirkung damit hervor bringen kann; und wenn es auch aus den geschiktesten Leuten bestünde. Es bringt einem jeden Componisten großen Vortheil, wenn seine Composition so beschaffen ist, daß sie auch von mittelmäßigen Leuten ausgeführet werden kann. Ein Componist handelt demnach am vernünftigsten, wenn er sich nach der Fähigkeit eines jeden richtet. Ist seine Arbeit sehr geschikten Leuten gewidmet, so kann er freylich etwas mehreres wagen: soll sie aber allgemein werden, so muß er sich der Leichtigkeit befleißigen. Insonderheit muß er bedacht seyn, für die Sänger natürlich, singbar, und weder zu hoch noch zu tief zu setzen, und ihnen zum Athemholen, und zur deutlichen Aussprache der Worte, Raum zu lassen. Die Eigenschaften jedes Instruments muß er sich bekannt machen, damit er nicht wider die Natur derselben etwas schreibe. Für die Blasinstrumente darf er nicht gar zu fremde Tonarten wählen, worinne die wenigsten geübet sind, und welche sowohl an der Reinigkeit und Deutlichkeit des Spielens, als auch überhaupt am guten Vortrage Hinderniß verursachen. Den Unterschied zwischen Ripien- und Solostimmen muß er wohl beobachten. Jedes Stück suche er so zu charakterisiren, daß ein jeder das Tempo davon leicht errathen könne. Damit der Ausdruck von allen auf einerley Art geschehen könne, muß er das Piano und Forte, die Triller und Vorschläge, die Bogen, Puncte, Striche, und alles was über oder unter die Noten gehöret, aufs genauste bezeichnen, nicht aber, wie manche, die vom Bogenstriche keine Kenntniß, oder keine Achtsamkeit darauf haben, thun, das Schleifen oder Stoßen des Bogens willkührlich [274] lassen: gerade als ob alles auf dem Claviere, wo man mit dem Bogen nicht schleifen kann, ausgeführt werden sollte. Er muß deswegen die Copisten, welche in diesem Stücke, dem Componisten zum Nachtheile, entweder aus Unwissenheit, oder aus Nachläßigkeit, öfters die größten Fehler begehen, dazu anhalten, daß sie alles, so wie er es vorgeschrieben hat, aufs genaueste nachschreiben; daß sie die Köpfe der Noten nicht zweifelhaft, sondern recht mitten auf die Linien oder Zwischenräume setzen; daß sie die Querstriche deutlich machen, und die Linien recht deutlich ausziehen; daß sie alles übrige, was der Componist angemerket hat, eben so, und an dieselben Orte hinsetzen, wie es in der Partitur steht, absonderlich das Forte und Piano, und die Bogen über den Noten; daß sie nicht glauben, es gelte gleich viel, ob über zwo, drey, vier, oder mehr Noten ein Bogen stehe, oder gar keiner: welches doch den Sinn des Componisien sehr verändern oder vernichten kann; daß sie auch bey der Singmusik die Worte recht lesen, und deutlich und richtig abschreiben. Endlich muß die Hand des Componisten leserlich, und seine Schreibart deutlich seyn, damit sie keiner besondern Erklärung nöthig habe. Verhält sich nun ein Componist in allen Stücken auf solche Weise; so hat er auch ein Recht, von den Ausführern einen solchen Vortrag, wie ich ihn hier der Länge nach beschrieben habe, zu fodern: und das Orchester wird so wohl ihm, als er dem Orchester, Ehre machen.

Anmerkungen

  1. Wo das Mezzo forte steht, muß man nicht die Note über dem M, sondern die über dem F verstehen: weil es der Raum nicht anders zu schreiben erlaubet, s. die Anmerkung zum 19 §. des folgenden Abschnitts.
  2. Dieses versteht sich nur von blos begleitenden Noten. Wenn aber der Hauptsatz einer Fuge oder eine andere Nachahmung im Aufschlage des Tactes anfängt, so würden diese verdunkelt werden, wenn man über der vorhergehenden Pause den folgenden Accord anschlagen wollte. Bey solchen Umständen thut es bessere Wirkung, wenn man den Hauptsatz, durch die Octave höher, mit der rechten Hand verdoppelt; als wenn man ihn vollstimmig accompagniret.
  3. Es ist bekannt, daß man die Wörter: forte und piano entweder abkürzet, oder auch nur den ersten Buchstaben davon, als: f. und p; und anstatt fortissimo und pianissimo zweene Buchstaben: ff. und pp. zu den Noten, welche stark oder schwach gespielet werden sollen, setzet: auch wohl, wenn der Ton noch mehr verstärket oder gemäßiget werden soll, noch ein f oder p hinzufüget, nämlich: fff. ppp. Ferner werden dem Forte und Piano nach Befinden zuweilen noch andere Wörter, als: mezzo, (halb,) poco, (wenig,) meno, (weniger,) piu, (mehr,) voran, oder einige, als: assai, nachgesetzet. Diese Beywörter nun können nicht mit einem einzelnen Buchstaben ausgedrücket werden, weil mezzo und meno, poco und piu, einerley Anfangsbuchstaben haben, und man folglich Verwirrung anrichten würde. Doch pflegt man, wenn nur ein m gesetzet wird, immer mezzo darunter zu verstehen, welches üblicher ist als die andern. Da nun der Raum, welchen diese verdoppelten Buchstaben, und diese Nebenwörter einnehmen, sich über mehr als eine Note erstrecket; so fraget sich, welcher Buchstab eigentlich derjenige seyn soll, so die erste von denen stark oder schwach zu spielenden Noten andeutet. Z. E. Man schriebe piano assai, oder poco forte: nach welchem Buchstaben soll man sich nun richten, um bey der rechten Note, mit der erfoderten Stärke oder Schwäche anzufangen? Wollte man im Schreiben dieses zur Regel setzen, daß allezeit der erste Buchstab von den Wörtern forte und piano, folglich das f oder das p, unter oder über diejenige Note geschrieben wurde, welche stark oder schwach zu spielen ist: so würde man dadurch aller Zweydeutigkeit zuvorkommen; das f oder p mag nun verdoppelt werden, indem man sich alsdenn nach dem ersten f oder p richtet; oder aber ein Nebenwort hinter oder vor sich haben.
  4.   Was in vorigen Zeiten recht geschwind gehen sollte, wurde fast noch einmal so langsam gespielet als heutiges Tages. Wo Allegro assai, Presto, Furioso, u. d. m. dabey stund, das war eben so geschrieben, und wurde fast nicht geschwinder gespielet, als man heutiges Tages das Allegretto schreibt und ausführet. Die vielen geschwinden Noten, in den Instrumentalstücken der vorigen deutschen Componisten, sahen also viel schwerer und gefährlicher aus, als sie klungen. Die heutigen Franzosen haben diese Art der mäßigen Geschwindigkeit in lebhaften Stücken noch größten Theils beybehalten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Punte
  2. Vorlage: nnd
  3. Vorlage: harmonidse
  4. gemeint sind: Bünde.
  5. Vorlage: einanden
  6. Vorlage: Haupstimme
  7. Vorlage: Haupstimme
  8. Vorlage: Ausnahme
  9. Vorlage: das
  10. Vorlage: nnd
  11. Vorlage: Begrif
XVI. Hauptstück Nach oben XVIII. Hauptstück
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