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VIII | Einleitung. |
hier nicht selten schwer zu ziehen ist und es mag sein, dass dieses oder jenes Lied aufgenommen wurde, das kein Volkslied im strengen Sinne ist, obwohl wir bestrebt waren, nach dem oben angegebenen Gesichtspunkt aufzunehmen und auszuscheiden, weshalb wir auch eine grössere Anzahl Lieder, die in früheren Sammlungen als Volkslieder aufgenommen wurden, fallen liessen. Fragt der freundliche Leser nach dem Eigenen und Charakteristischen am ladinischen Volkslied, so wollen wir eine kurze Antwort zu geben versuchen. Der Charakter der Rätoromanen, die an der Wasser- und Völkerscheide sich erhalten haben — ein Purpurstück des römischen Kaisermantels neben dem germanischen Speer — hat im Volksliede deutsche Gemütstiefe mit dem lateinischen Sinn für Mass und Schönheit zu verbinden gestrebt, so dass das romanische Volkslied zwei Vorzüge aufweist: tiefes Gefühl und harmonische, vornehme Form. Gerade bei den Liebesliedern, wo dem Spotte sein Recht wird und heikle Situationen zur Sprache kommen, zeigt sich ein ausgesprochener Sinn für das Schöne und Schickliche.
Aus den historischen Liedern spricht die Eigenart des rätoromanischen Volkes, das Selbstbewusstsein und trotzige Kraftgefühl, das den Männern der III Bünde eigen war, das auf dem ruhmreichen Schlachtfelde der Kalvenklause, wie auf Italiens Blachfeldern gewachsen war und die blutigen Befreiungskämpfe gegen Baldirons Scharen zu Ende führen liess. Die grosse, ruhmreiche Geschichte, die noch aus den Briefen des Peter Planta, aus den selbstbewussten Worten über die Vereinigung mit der jungen Eidgenossenschaft herausklingt, erklärt uns den starken Zug, der die rätischen Fahnen und das rätische Lied bewegte.
Wenn Flugi meint, die puritanische Richtung der Reformation im Engadin hätte den alten Volksliedern, die verpönt wurden, das Los der Vergessenheit zugeteilt, so wird diese Meinung durch die Zusammen- und Gegenüberstellung sämtlicher rätoromanischen Volkslieder nicht bestätigt. Gerade die besten erzählenden Lieder des katholischen Oberlandes finden sich auch im Engadin, die ältesten Liebeslieder finden sich in surselvischen und ladinischen Versionen, so dass der Einfluss der Reformation auf das Volkslied als ein sehr geringer zu bezeichnen ist.
Zu den ältesten Volksliedern gehören jene, die ursprünglich bei Kultushandlungen gesungen wurden; sie verherrlichen Erscheinungen und Kräfte der Natur, die als persönliche Wesen aufgefasst und verehrt wurden. Die Feier des beginnenden Lenzes, des wiedererwachten Vegetationsdämons stand auch im Inntal im ungeschriebenen Kalender des Volkes. Wie aus einem Kinderspruche „mantinada“aus dem Bergell erhellt, ward der Einzug der wärmeren Jahreszeit und das Erwachen der Vegetation mit Spiel