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ÜBER DEN URSPRUNG DES GESTIRNKULTUS



In allen höheren Religionen werden die Götter als « himmlischen » Ursprungs erachtet. Dieser Umstand hängt ohne Zweifel mit dem sehr verbreiteten Kultus der Himmelskörper zusammen. Wie dieser merkwürdige Kultus entstanden, ist, soweit mir bekannt, bisher kaum untersucht worden. Es möge mir deshalb erlaubt sein, mittelst einer naturwissenschaftlich begründeten Betrachtung diese Frage zur Diskussion zu stellen.

« Die Religion ist das Bewusstsein, dass in der Natur Kräfte obwalten, welche das Schicksal des Menschen lenken », sagt Nathaniel Schmidt1 Die religiösen Handlungen haben somit den Zweck, diese Kräfte in einer für den Handelnden günstigen Weise zu beeinflussen. Bei dem Kampf ums Dasein, den der auf niedrigster Stufe stehende Mensch zu führen hatte, galt es besonders, mit wilden Tieren, die ihm häufig den grössten Schaden zufügten, zu kämpfen. Diese spielen in den ursprünglichen Naturreligionen die Hauptrolle. Zu diesen traten Schnee, Hagel, Blitze, überschwemmende Wassermassen, vulkanische Ausbrüche, Erdbeben u. s. w. hinzu, welche das einfache ruhige Leben verhinderten. Auch nützliche Tiere und Naturerscheinungen wurden mit in Betracht gezogen, obgleich sie, besonders im Anfang, eine niedere Rolle spielten. Die Religion war « Götterfurcht». Sie beschäftigte sich mit allen

  1. Nathaniel, Schmidt: Congress of Arts and Science. St. Louis, 1904, Bd. 2, S. 449. Boston and New York 1906.